Souvenirs

Irgendwann einmal, so vor 117 Jahren, vielleicht waren es auch 278 oder 342 – und wer weiß, was Kolumbus außer Kartoffeln und Paprika für Ramsch mitgebracht hat – hat irgendein Reisender Zweifel gehabt, ob die Nachbarn wohl wirklich den Kanarienvogel brav füttern, den Gummibaum (oder was auch immer für Grünzeug sich die Leute seinerzeit in die Häuser gestellt haben) ordentlich gießen und wohl nicht herumstirln in fremden Laden, ziemliche Zweifel, und sich als Rache gedacht, den Nachbarn so richtig fies zu bestrafen für alle potentiellen Missetaten während der eigenen Abwesenheit. Das zweite mögliche Motiv, warum man auf Reisen säckeweise Klumpert für die Daheimgebliebenen aufkauft, ist wohl so etwas wie „Ääääääätsch, ich war da, und Du nicht!“. Anders kann ich mir einfach nicht erklären, warum man den lieben Freunden und Verwandten (übrigens schon mal bemerkt, dass man es meistens in dieser Reihenfolge sagt?) geschnitzte, plastifizierte, verschneekugelte oder verstrasste und dann auch noch Lärm von sich gebende Bauwerke und Figuren aufs Kaminsims oder in die Devotionaliengalerie hext.

Skurril waren nicht nur die möglichen Beutestücke, sondern teilweise auch die Orte, an denen sie feilgeboten wurden.

Im sonntäglichen Klagenfurt waren alle Geschäfte zu, wir werden nie erfahren, ob es da möglicherweise Plastik-Lindwürmer gibt. Um ausgestopfte Vogelspinnen aus dem Reptilienzoo und Eiffelturm-Schneekugeln rund um Minimundus haben wir einen Bogen gemacht, wer weiß, was es da alles gegeben hätte, am Wörthersee waren in erster Linie Baderequisiten und Kinderberuhigungsmaterial wie Bälle und Sandspielzeug erhältlich.

Das erste Mal wirklich mit Nase, Knie, Ellbogen, und was man sich sonst noch unter Freudenschreien irgendwo anrennen kann, sind wir dann im Dunstkreis des Großglockners auf solches Zeugs gestoßen. Auf den ersten Blick könnte man sogar meinen, die Heiligenbluter essen zum Frühstück geschnitzte Murmeltiere, zum Mittag Plüsch-Gemsen und abends Kräutersalben aus Keramik-Bierkrügen, denn ausnahmslos jedes Geschäft offeriert auf den ersten zweihundert Quadratmetern originale, von den Einheimischen an langen Winterabenden im Schein des Herdfeuers hergestellte Handarbeiten… 😉 😉 😉 😉 😉

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…und mit so einer Mütze könnte man sich in eine Mulde ducken und die Japaner pflanzen

Wer glaubt, dass sich das Vorhandensein eines Souvenir-Geschäfts auf die Symbiose mit einer städtischen oder wenigstens dörflichen Infrastruktur beschränkt, wird nicht nur am Großglockner (siehe Bilder oben), sondern auch mitten in der Pampa Gegend, bei den Krimmler Wasserfällen, eines Besseren belehrt

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Der Murmeltieräquator reicht bis kurz vor den Bodensee, inklusive dem Shop am Bergisel-Stadion. Dort gibt es auch Eisbär-Mützen, wie sie die österreichischen Ski-Stars tragen…

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Bild und weitere Informationen von „Der Fan-Shop“

Das wär‘ ja, im Gegensatz zu Plastik-Hirschg’weihen, was Nützliches. Für den Preis, den so ein kleines Mützlein kostet, kriegt man feinste reine Wolle für mindestens einen ganzen Pulli. Ich werde also demnächst wieder an der Nadel hängen. Warum sowas aber in dieses Skurrilitätenkabinett passt, ist das nächste Souvenir-Spezifikum: sie sind frivol teuer. Ich hatte einmal ein Computer-Spiel, „Anno 1604“ (übrigens das einzige, das ich je besessen habe), da konnte man mit einem Regler die Steuern so lange hochdrehen, bis einen der exemplarische Siedler mit zerrauften Haaren angefinstert hat. In den Souvenir-Shops werden die Kunden mit kleinen Kameras beobachtet. Die Preise werden so lang angehoben, bis mindestens fünf Kunden in Serie mit Ohnmachtsblässe auf den Linol-Boden sinken. Die hohe Leidensfähigkeit der erlauchten Souvenir-Kundschaft legt den Schluss nahe, dass entweder die oben genannten Rachegedanken wirklich sehr tief sitzen müssen oder aber das versehentlich vergessene Preisschild den Beschenkten so richtig nachhaltig in Verlegenheit bringen soll (der rächt sich dann mit „griechischen“ Tischsets und zwei Flaschen Mundwasser Ouzo).

Jetzt gibt’s halt die putzigen Murmeltiere im Westen und Plüsch-Störche im Osten…

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(Murmelsalbe gibt’s auch, aber von Storchen-Creme hab ich noch nie was gehört)

…aber wir haben keine Kate&William-Kaffeehäferln.

Nein, die Rache der Österreicher ist viel perfider. Wir schlagen zurück. Aus vollen Rohren. Mit Häferln, Tellern, Regenschirmen, Konfekt, reinseidenen Polyestertüchern, Polsterbezügen, Büchern und – äääääääääätsch, DAS gibt es von Kate und Silvia und wie sie alle heißen, NICHT – mit CD’s. Denn wir haben Sisi & Franzl („Siiiisssi!!!“ – „Frrrrranzzl!!!“) und wir haben den Wolferl. (Also: DIE haben Sisi, Franzl und Wolferl, wir Grazer schauen schon wieder ein bissl blöd durch die Finger, wer will denn schon mit dem Arnie angeben, und den Erzherzog Johann kennen jenseits des Grünen Herzen schon nicht mehr so viele, seine Frau, die Anna, hat wenigstens ein marketingtechnisch gut verwertbares Dirndl erfunden).

Jedenfalls ist es so, dass man die drei oben Genannten (OK, nach dem Franzl kräht in Wahrheit keiner) glatt hätte erfinden müssen als Wirtschaftsmotor für die Devotionalienbranche. Strass-Sterne und das Musical bei Sisi, ein musikalisches Welterbe beim Wolferl, eine herzzerreißende Lebensgeschichte bei allen beiden, melancholische Gedichte und Unrast bei der einen, die Attitüde eines Popstars beim anderen. Aus solchem Stoff sind die ganz großen Geschichten gewebt – und die passenden G’schirrhangerln.

Nordöstlich des Murmeltieräquators erstreckt sich also über mehrere Breitengrade das Wolferl-Königreich. Kaum hat man Innsbruck und Kitzbühel im Rückspiegel, heißt jede zweite Frühstückspension „Mozart-Blick“ ( die anderen „blicken“ auf den Dachstein), es gibt den Wolfgangsee, St. Wolfgang, die Skiwelt „Amadé“, bis man sich dem Epizentrum nähert, Salzburg:

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Wem graue Haar‘ und roter Rock nicht so gut stehen, der kann sich auch allerorts Dirndl-mäßig einkleiden und dann im Kanon mit dem „Jeeeeeeederrrrrmaaaaannnn“- Rufer von der Festung Hohensalzburg herunterjodeln.

Jetzt ist es ja nicht so, dass Mitbringsel grundsätzlich Generationen überdauernde Familien-und Nachbarschaftsfehden verursachen müssen („Bis einer weint“), es gibt ja auch Sinnvolles zu verschenken oder zu kaufen.
Zum einen finden sich in der unmittelbaren Umgebung von großen Kirchen oder von Wallfahrtsorten, wie zum Beispiel Mariazell, religiöse Devotionalien, die meistens nur von Leuten gekauft oder an welche verschenkt werden, denen der damit verbundene religiöse Hintergrund etwas bedeutet.

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Dann gibt es den Alltag verschönerndes, wie zum Beispiel Schmuck aus Donaukieseln

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Bild stammt von der oben verlinkten Seite

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… oder Kleidung und Accessoires, wie Strickwaren (dicke Wollsocken in Island) oder Tücher. Und so lange da nicht riesengroß „I love Wolferl“ draufsteht oder „Ich war in Innsbruck und alles, was ich kriege, ist dieses blöde T-Shirt“ kann man es auch außerhalb des Baumarktes und nicht nur beim Gartenarbeiten tragen.

Und zu guter Letzt sind da noch die praktischsten aller Souvenirs, weil man sie ganz leicht wieder los wird, nämlich durch Verzehr.

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Marillen in allen denkbaren Aggregatzuständen in der Wachau, Salz aus Hallstatt…

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Bildquelle: Salzkontor (Link oben)
…selbst die allgegenwärtigen Mozartkugeln und natürlich Wein. Wer nicht noch mehrere Tage im Auto unterwegs ist, könnte sich auch so manche regionale Spezialität einpacken lassen, Vorarlberger Bergkäse zum Beispiel, Tiroler Speck oder Zauner Stollen aus Bad Ischl.

Womit wir wieder beim Christoph wären, dem Kolumbus. Der muss sich das Gleiche gedacht haben, mit den Tomaten, den Erdäpfeln und dem Mais, in der Steiermark besser bekannt als „Sterz“. Aber das ist eine andere Geschichte…

Das Maria(ndl) – ein Tag der Kontraste (Tag 10)

Es wär‘ natürlich ein Frevel der Sonderklasse, sich mit der Wachau ausschließlich auf dem Schiff berieseln zu lassen, denn wie die berühmt-berüchtigte Medaille haben auch die kleinen Ortschaften hier an der Donau eine Rückseite – im Gegensatz zum runden Metall jedoch ist auch diese wunderhübsch und romantisch. Das zu versäumen wäre wirklich jammerschade.

Die älteste Kirche der Wachau, St. Michael, aus dem frühen 16. Jahrhundert, zum Beispiel. Die engen kleinen Gässchen in Spitz, in denen einem hoffentlich niemand entgegenkommt. Die Gärten mit den berühmten Marillen-Bäumen, in einigen davon hängen sie noch, lächeln fröhlich herunter wie hunderte kleine Spiegeleier. Oder orange-goldene Sonnen mit erröteten kleinen Wangerln. Und selbstverständlich bekommt man hier überall in kleinen hübschen Hofläden alles, was man aus den kleinen Sonnen herstellen kann – Likör, Dicksaft, eingelegt, getunkt und natürlich zu unzähligen Marmeladen- und Chutney-Varianten verkocht, vom Mariandl höchstpersönlich.

Auf den sanft ansteigenden, in steilen Terrassen mündenden Weingärten schließlich wächst das zweite Standbein dieser Region, vom milden Donauklima verwöhnt, in erster Linie hervorragende Rieslinge und der Grüne Veltliner. Österreich lässt sich ganz grob in zwei Zonen einteilen – also der Teil von Österreich, wo Wein angebaut wird. Südlich des Semmering ist des Österreichers Leib- und Lebenswein der Welschriesling, jenseits davon der grüne Veltliner. Beide, wie auch schon der beschriebene Schilcher, haben sich in den letzten Jahren von der sauren Klesch’n zum Edeltröpferl gemausert. Irgendwie kann man insgesamt behaupten, dass sich die österreichischen Weine so richtig fein gemacht haben in den letzten 20, 30 Jahren. Der Gelbe Muskateller ist ja auch kein so pickert-grausliches Damenlikörchen mehr, sondern eine knackig-fruchtige Erfrischung (ich habe nämlich grad so was Nettes vor mir im Glas…)

Und so, wie es die Marillen-Läden gibt, reihen sich natürlich auch die Weingüter Tür an Tür, und man könnte sich hier, eine gewisse Trinkfestigkeit, einen Chauffeur, ein gefülltes Brieftascherl (guter Wein geht ins Geld) und viiieeeeel Zeit vorausgesetzt, so richtig gepflegt von Tür zu Tür verkosten. Wer danach noch immer Geld zum Verbröseln hat, der kann natürlich auch in einen der vielen Souvenir-Shops transcheln gehen. Hervorgestochen ist hier einer in Dürnstein, wo es Schmuckstücke aus silbergefassten Donau-Kieselsteinen gibt.

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Unser Weg führt uns weiter – und weil wir fair bleiben wollen, kriegt auch der jüngste Zuwachs unter den österreichischen Landeshauptstädten ihren Platz in unserem Fotoalbum, nämlich St. Pölten.

Dann schlagen wir einen Haken und streifen kurz die Steiermark, verlassen die niederösterreichische Sommerhitze und flach-hügelige Landschaft in Richtung Süden und besuchen ein anderes Mariandl. Denn hier, im steirisch-niederösterreichischen Grenzgebiet liegt der wichtigste Wallfahrtsort Österreichs, Mariazell, mit einer Basilika, deren Geschichte sich bis weit ins Mittelalter zurück verfolgen lassen. Der Ort ist klein, durch ein paar enge hübsche Gässchen führt die Straße hinauf, und da thront sie dann. Auch wenn man kein gläubiger Mensch ist, spürt man, dass es sich hier um einen ganz besonderen Ort handelt, vielleicht liegt es aber auch an der Basilika, die eine spürbare Ruhe und Kraft ausstrahlt, und man bekommt eine Ahnung von dem Gefühl, das wohl fromme Pilger haben müssen, wenn sie nach mehrtägigen Fußmärschen hier herauf kommen, an ihr Ziel.

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In der Basilika selbst ist das Fotografieren aus verständlichen Gründen nicht erwünscht. Besinnliche Ruhe, angenehme Kühle, und der Gnadenaltar mit der Marienstatue im Zentrum. Es tut gut, nach den vielen Tagen voller Erlebnisse und Eindrücke einen Moment inne zu halten, durchzuatmen, die spirituelle Energie auf sich einwirken zu lassen. Dieser, und als wir wenig später knietief in der erfrischend-kalten Mürz stehen, sind die einzigen kühlen Momente dieses Tages.

Zum Schluss haben wir nochmals eine großen Sprung gemacht, weg vom bergigen, grünen Mariazeller Land. Und so genießen wir unseren letzten echten Reiseabend an einem ganz besonderen Ort. Immer noch hat es um die dreißig Grad, der Himmel hat die Farbe von blassblau über rosa in ein sanftes, gedämpftes Azurblau gewechselt, die Sommerhitze in ein angenehmes Lüftchen, über unseren Köpfen haben die Schwalben die Jagd nach Mücken beendet und vor mir steht der eingangs erwähnte Gelbe Muskateller, genau so leuchtend wie die Lichter entlang des Sees…

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… ein langer ruhiger Fluss (Tag 9)

Die Abkühlung nach den nächtlichen Gewittern hielt nicht lange an, der einzige Vorteil ist, dass wir jetzt in einem klimatisierten Auto unterwegs sind, wo man sich dazwischen wieder erholen kann. Trotzdem haben wir den weißem Schimmel bei dieser wunderschönen Strecke sehnlichst vermisst.

Schon am frühen Vormittag brennt die Sonne vom Himmel und spielt mit den Farben in den oberösterreichischen Seen. Allein dieses Fleckchen Erde bietet Sehenswertes für mehrere Tage.

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Auf jeden Fall stecken wir hier eine große Nadel in die Österreichkarte, denn hierher müssen wir unbedingt noch einmal kommen.

Die Fahrt nach Linz haben wir recht zügig über die Autobahn hinter uns gebracht, dann am Linzer Hauptplatz Kaffee getrunken und – was sonst? – Linzertorte gegessen. Linzertorte steht, wie auch die Sachertorte, im Verdacht, ein Nebenprodukt aus der Dämmplattenindustrie zu sein. Das könnte aber daran liegen, dass beide zu oft knochentrocken gebacken und allzu lange aufbewahrt werden. Dann hilft nur noch ein großer Klecks Schlagobers, um akuter Speiseröhren-Verbetonierung vorzubeugen. Die heutige, am Ursprungsort konsumierte Linzertorte war jedoch würzig-saftig.

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Hier in Linz stießen wir erstmals auf unserer Reise auf – sozusagen – die österreichische Hauptschlagader, die Donau – Patin für die inoffizielle österreichische Nationalhymne, den Donauwalzer, Lebensader, Naturparadies.

Und eines von vielen kleinen und großen Paradiesen, die dieser Fluss in dieses kleine feine Land geschliffen hat, ist die Wachau, das Talstück zwischen Melk und Krems, das auch seit einigen Jahren zum Unesco-Weltkulturerbe gehört.

Am neunten Tag merken wir bereits erste Ermüdungserscheinungen, es könnte aber auch an der Hitze liegen, dass wir auf Herumgehatsche keine Lust hatten. Alles mit dem Auto abzufahren, wäre eine Option, die Fahrt im gut gekühlten BMW ist aber – und das stellen wir zum x-ten Mal fest – nicht annähernd so lustig wie mit dem Cabrio. Aber es gibt noch eine feine Möglichkeit, die schönsten Orte dieses Landschafts-Juwels zu erleben, nämlich auf dem Schiff.

Und so verbrachten wir einen ruhigen, gemächlichen, faulen Nachmittag auf der MS Austria und hatten durch den Fahrtwind stromabwärts endlich wieder Wind in den Haaren und Sonne auf der Haut.

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