Das Maria(ndl) – ein Tag der Kontraste (Tag 10)

Es wär‘ natürlich ein Frevel der Sonderklasse, sich mit der Wachau ausschließlich auf dem Schiff berieseln zu lassen, denn wie die berühmt-berüchtigte Medaille haben auch die kleinen Ortschaften hier an der Donau eine Rückseite – im Gegensatz zum runden Metall jedoch ist auch diese wunderhübsch und romantisch. Das zu versäumen wäre wirklich jammerschade.

Die älteste Kirche der Wachau, St. Michael, aus dem frühen 16. Jahrhundert, zum Beispiel. Die engen kleinen Gässchen in Spitz, in denen einem hoffentlich niemand entgegenkommt. Die Gärten mit den berühmten Marillen-Bäumen, in einigen davon hängen sie noch, lächeln fröhlich herunter wie hunderte kleine Spiegeleier. Oder orange-goldene Sonnen mit erröteten kleinen Wangerln. Und selbstverständlich bekommt man hier überall in kleinen hübschen Hofläden alles, was man aus den kleinen Sonnen herstellen kann – Likör, Dicksaft, eingelegt, getunkt und natürlich zu unzähligen Marmeladen- und Chutney-Varianten verkocht, vom Mariandl höchstpersönlich.

Auf den sanft ansteigenden, in steilen Terrassen mündenden Weingärten schließlich wächst das zweite Standbein dieser Region, vom milden Donauklima verwöhnt, in erster Linie hervorragende Rieslinge und der Grüne Veltliner. Österreich lässt sich ganz grob in zwei Zonen einteilen – also der Teil von Österreich, wo Wein angebaut wird. Südlich des Semmering ist des Österreichers Leib- und Lebenswein der Welschriesling, jenseits davon der grüne Veltliner. Beide, wie auch schon der beschriebene Schilcher, haben sich in den letzten Jahren von der sauren Klesch’n zum Edeltröpferl gemausert. Irgendwie kann man insgesamt behaupten, dass sich die österreichischen Weine so richtig fein gemacht haben in den letzten 20, 30 Jahren. Der Gelbe Muskateller ist ja auch kein so pickert-grausliches Damenlikörchen mehr, sondern eine knackig-fruchtige Erfrischung (ich habe nämlich grad so was Nettes vor mir im Glas…)

Und so, wie es die Marillen-Läden gibt, reihen sich natürlich auch die Weingüter Tür an Tür, und man könnte sich hier, eine gewisse Trinkfestigkeit, einen Chauffeur, ein gefülltes Brieftascherl (guter Wein geht ins Geld) und viiieeeeel Zeit vorausgesetzt, so richtig gepflegt von Tür zu Tür verkosten. Wer danach noch immer Geld zum Verbröseln hat, der kann natürlich auch in einen der vielen Souvenir-Shops transcheln gehen. Hervorgestochen ist hier einer in Dürnstein, wo es Schmuckstücke aus silbergefassten Donau-Kieselsteinen gibt.

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Unser Weg führt uns weiter – und weil wir fair bleiben wollen, kriegt auch der jüngste Zuwachs unter den österreichischen Landeshauptstädten ihren Platz in unserem Fotoalbum, nämlich St. Pölten.

Dann schlagen wir einen Haken und streifen kurz die Steiermark, verlassen die niederösterreichische Sommerhitze und flach-hügelige Landschaft in Richtung Süden und besuchen ein anderes Mariandl. Denn hier, im steirisch-niederösterreichischen Grenzgebiet liegt der wichtigste Wallfahrtsort Österreichs, Mariazell, mit einer Basilika, deren Geschichte sich bis weit ins Mittelalter zurück verfolgen lassen. Der Ort ist klein, durch ein paar enge hübsche Gässchen führt die Straße hinauf, und da thront sie dann. Auch wenn man kein gläubiger Mensch ist, spürt man, dass es sich hier um einen ganz besonderen Ort handelt, vielleicht liegt es aber auch an der Basilika, die eine spürbare Ruhe und Kraft ausstrahlt, und man bekommt eine Ahnung von dem Gefühl, das wohl fromme Pilger haben müssen, wenn sie nach mehrtägigen Fußmärschen hier herauf kommen, an ihr Ziel.

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In der Basilika selbst ist das Fotografieren aus verständlichen Gründen nicht erwünscht. Besinnliche Ruhe, angenehme Kühle, und der Gnadenaltar mit der Marienstatue im Zentrum. Es tut gut, nach den vielen Tagen voller Erlebnisse und Eindrücke einen Moment inne zu halten, durchzuatmen, die spirituelle Energie auf sich einwirken zu lassen. Dieser, und als wir wenig später knietief in der erfrischend-kalten Mürz stehen, sind die einzigen kühlen Momente dieses Tages.

Zum Schluss haben wir nochmals eine großen Sprung gemacht, weg vom bergigen, grünen Mariazeller Land. Und so genießen wir unseren letzten echten Reiseabend an einem ganz besonderen Ort. Immer noch hat es um die dreißig Grad, der Himmel hat die Farbe von blassblau über rosa in ein sanftes, gedämpftes Azurblau gewechselt, die Sommerhitze in ein angenehmes Lüftchen, über unseren Köpfen haben die Schwalben die Jagd nach Mücken beendet und vor mir steht der eingangs erwähnte Gelbe Muskateller, genau so leuchtend wie die Lichter entlang des Sees…

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Die Stainzer Gegend, Weststeiermark

Nich nur große Reisen sind erlebenswert, das kleine feine Land direkt vor der Haustüre lässt sich ja auch tageweise erleben, entdecken, erobern. Und am besten fängt man gleich damit an.

Sommersonne küsst meine Pfingstrosen wach, das hohe Gras ist nass vom nächtlichen Regen, aus den Wiesen und aus dem Wald steigt Dampf auf. Tatsächlich hat mein lieber geschätzter Mal-Mentor recht gehabt, als er vor zwei Wochen, mitten im ärgsten Adria-Tief prophezeit hat: „Wirst sehen, am Samstag ist es schön!“. Verrückt. Aber er hatte recht. Also stand unsere Malausflug nichts mehr im Wege.

St. Stefan ob Stainz

Die Weststeiermark bezaubert durch eine sanfthügelige Landschaft, mit viel Grün, Weingärten und schönen alten Holzhäusern. Nicht nur die südliche Steiermark, auch der Westen hält jedenfalls Vergleichen mit der Toskana stand, nur halt eben steirisch.***

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Der Tag begann auf der sonnigen Terrasse der Buschenschank Lazarus. Vielleicht sei hier kurz erklärt, was ein Buschenschank ist. In einem Buschenschank dürfen Landwirte Erzeugnisse aus eigener Produktion ausschenken oder servieren, das sind in der Regel Getränke, Mehlspeisen und kalte Speisen. Wie auf dieser Seite erklärt ist, geht dies auf eine Verordnung von Kaiser Joseph II. im 18. Jhdt. zurück. Obwohl dies nicht explizit vorausgesetzt wird, wird zumindest in der Steiermark fast automatisch davon ausgegangen, dass ein Buschenschank zu einem anständigen Weingut gehört oder andersherum: dass man in einem Buschenschank „an g’scheiten Wein“ bekommt. Und dazu isst man dann eine Brettljause, wo man vor lauter Jause das Brettl nicht mehr sieht. Üblicherweise sind die Portionen so dimensioniert, dass man mit der Bestellung für vier Personen einen mittleren Reisebus ausspeisen kann.

Doch dazu später noch einmal. Unter bestimmten Voraussetzungen darf ein Buschenschank auch Kaffee anbieten, was sich als Einstieg morgens dann eher eignet. Am Mohn-Topfenkuchen konnte ich nicht vorbeigehen:

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Tut das gut, endlich wieder Wärme und Sonne, dazu Grillengezirpe und der Duft von frischem Heu! Wir sitzen mittendrin, auf den Tischen und Bänken, direkt in der Wiese und malen drauflos.

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Und jetzt kommen wir zur Auflösung der drei Sternchen weiter oben. Wodurch kann man zweifelsfrei die steirische Weingegend von jeder anderen unterscheiden?

Durch das Klapotetz:

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Und was ist das schon wieder? Das Wort stammt, wie viele andere steirische Ausdrücke, aus dem Slowenischen. Es ist ein großes Windrad, das durch lautstarkes Geklapper die Vögel aus den Weingärten vertreiben soll. Was zum Malen in der Toskana die Zypressen sind, ist in der Süd- und Weststeiermark das Klapotetz.

Bliebe noch die ganz wesentliche Frage zu klären, von welcher Sorte Weinstöcke hier die Vögel wohl zu vertreiben sind. Wem österreichische Weine ein bisschen was sagen, ahnt es vielleicht, anderen sind möglicherweise schon Schauergeschichten darüber zu Ohren gekommen. Es handelt sich um den sagenumwobenen Schilcher, wobei dieser Name eine geschützte Bezeichnung für Roséweine der Rebsorte Blauer Wildbacher sind, die ausschließlich aus der Steiermark kommen dürfen. Wer bei Rosé an ein liebliches Mädchengetränk denkt, wird sehr schnell sein roségoldenes Wunder erleben. War der Schilcher, auch bezeichnet als Rabiatperle, früher im Verdacht, andernorts als „Agent Orange“ zu zweifelhafter Bekanntheit gelangt zu sein, wird er mittlerweile knackig-fruchtig und wesentlich verträglicher gekeltert, ein Geschmack irgendwo bei Rhabarber, roten Ribiseln (Johannisbeeren) und Gras, mit einer Farbe wie frisch gekochter Hagebuttentee. Meilenweit weg von diesem „Da ziagt’s da des Hemd eini“, aber definitiv auch meilenweit weg von „lieblich“.

Es gibt viele feine, zum Teil auch hoch dekorierte Schilcher-Weinbauern hier in der Gegend, die sich nicht nur mit Cabrio und Motorrad, sondern natürlich auch mit dem Rad wunderbar erkunden lässt.

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Die Rosenstöcke am Ende der Rebstock-Reihen sind nicht nur hübsch anzusehen, sondern sollen Bienen und andere Nützlinge anziehen.

Unser schöner Tag klang aus im Krainerhof, im Schatten eines ausladenden Ahornbaumes, bei einem deftigen Winzersalat und – wie könnte es anders sein – einem Achterl Schilcher.

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Doch was kommt denn da noch Feines daher?

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Weinstrauben und – nein, kein normaler Schilcher – Krainer’s Antwort auf den allgegenwärtigen „Hugo“: das „Tipperl“, Hugo mit Schilcher und nebst Holundersaft außerdem ein Schuss rote Ribisel (Johannisbeeren)

Dieser Tag wird sicherlich eine Fortsetzung im Herbst finden, wenn die steirische Weingegend so richtig zur Höchstform aufläuft und die Gegend die Farbe des Weins annimmt, von dem sie ihren Namen hat, das Steirische Schilcherland

Kleiner Nachsatz: die „Hauptstadt“ der Gegend ist sozusagen Stainz, beim Klick auf den Link oben kommt auch gleich ein Bild des Schlosses. Dort finden im Sommer wunderschöne Konzerte im Rahmen der Styriarte statt, aber das ist eine andere Geschichte…