Sonnencreme, Berge und die Sponsoren (Tag 5)

Irgendwie sind wir sowieso sowas von brav und anständig, und darum haben wir uns dieses grenzgeniale Wetter verdient – als wär’s eine Entschädigung für Waschlwetter in Schottland voriges Jahr und Islandtief vor zwei Jahren. Aber (nicht nur) heute früh haben sich die selbstgestrickten Mützen bewährt, denn um halb neun morgens ist es auf knapp 2.000 Metern Seehöhe knackig frisch um die Ohren.

Wenn man nämlich in Galtür keine Lust hat, wieder umzudrehen – und wieso sollte man auch – fährt man einfach weiter gerade aus und befindet sich mittendrin in einer weiteren wunderschönen Gebirgslandschaft, der Silvretta, auf einer Höhenstraße, die den Vergleich mit dem Glockner kaum zu scheuen braucht.

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Unmittelbar vor dem Pass überquert man nicht nur die Grenze von Tirol nach Vorarlberg, hier liegt außerdem der Silvretta-Stausee vor einem atemberaubenden Panorama. Der türkisblaue, völlig wolkenlose Himmel spiegelt sich im jadegrünen Wasser, das glatt wie ein Bügelbrett daliegen würde, höchstens mit ein paar davonhuschenden Kreisen rund um die Angelruten einiger Fischer, wenn nicht drei Vierer-Ruderer durch’s Wasser gleiten würden. Eine englische Rudermannschaft trainiert hier, neugierig beäugt von sandbraunen Kühen mit beneidenswert langen Wimpern.

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Ebensolche Rindviecher schieben außerdem weiter oben mitten auf der Straße Wache und kontrollieren die Mautkarten.

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Die hier sind übrigens nur auf der Rückseite lila bemalt, das kommt davon, wenn man einen Sponsorvertrag zum halben Preis unterschreibt. Da haben die Sonnencreme-Leute gleich mehr Geld in die Hand genommen und einen g’scheiten Berg hingestellt. Nur leider halten die Schneefelder im „Piz Buin“- Schriftzug bei der Hitz‘ nicht und verrinnen bis zur Unleserlichkeit. Die Sonnencreme kommt hier oben an ihre Belastungsgrenze, trotz Faktor 50 fängt der Nacken an zu brennen.

Nach ein paar beachtlichen HaarnadelSpiralnudel-Kurven talwärts liegt ein zweiter, kleinerer Stausee, der Vermunt-Stausee.

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Da sich von hier aus viele wunderschöne Wanderwege die Hänge zwischen Latschenkiefern hinaufschlängeln, wälzt sich schon um zehn Uhr vormittags eine Autokolonne aus dem Tal herauf, wie zur Rush-Hour auf der Grazer Nordeinfahrt.

Die Talfahrt ist nur etwas für Schwindelfreie und nichts für Autos mit maroden Bremsen oder angeknacksten Getrieben.

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Die Fahrt durch das Montafon und an Bludenz, Feldkirch und Dornbirn vorbei haben wir relativ zügig und ohne weitere Zwischenstopps hinter uns gebracht, um schneller an unser westlichstes Ziel zu gelangen, Bregenz und den Bodensee.

Nach einer kulinarischen Offenbarung im Restaurant am Strandbad…

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Titel der Kreation: „Frischer Sommersalat“. Man beachte die Karotten, Mais und Birnen (???) – alles gaaaaaanz frisch (aus der Dose halt, oder stand da was von Garten??? Na eben…). Ging übrigens genau so, wie er gekommen ist, zurück in die Küche. Auf Nimmerwiedersehen.

… nach diesem Erlebnis bestiegen wir ein Ausflugsschiff für eine zweistündige Rundreise auf dem See. Beim Betreten haben wir den Altersdurchschnitt um einige Prozent gesenkt, denn auf dem Schiff fand ein Betriebsausflug der Rollator-Formel1 statt, Hans-Albers-Verschnitt mit Akkordeon und Caterina-Valente-Lookalike plus üppigst gefülltes Tortenbuffett inklusive.

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Am obersten Deck waren wir vor Hans und Caterina relativ sicher. Und hätten nicht Brian, Robin und Cindy das ganze Oberdeck zwangsbeschallt, wär’s durchaus gemütlich gewesen. Als der Eiskaffe nach einer halben Stunde immer noch nicht serviert wurde, wollte ich schon nachsehen, ob die Strandbad-Tanten vielleicht kurzfristig den Arbeitgeber gewechselt haben, aber vermutlich ist der einfach Caterina zum Opfer gefallen.

Ich hätte mich heute eher erschießen lassen, als bei 30 Grad Vorarlberger Kässpätzle zu essen, aber zum Glück gibt es hier ja noch etwas anderes, was als echte Bodensee-Spezialität gilt, nämlich Felchen:

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Auch wenn ich nicht unbedingt versucht war, den Koch auf Knien um das Rezept anzubetteln, war’s ganz OK.
Die Innenstadt haben wir dann im Auto sitzend durchquert, denn auch wenn wir unsere Füße im bacherlwarmen See erfrischt haben, auf Herumhatschen hatten wir heute keine Lust mehr. Insgesamt war’s ein schöner Sommertag an einem netten See. Aber so rechte lockere Stimmung und Begeisterung wie am Wörthersee oder in Innsbruck will sich hier nicht wirklich einstellen.