… ein langer ruhiger Fluss (Tag 9)

Die Abkühlung nach den nächtlichen Gewittern hielt nicht lange an, der einzige Vorteil ist, dass wir jetzt in einem klimatisierten Auto unterwegs sind, wo man sich dazwischen wieder erholen kann. Trotzdem haben wir den weißem Schimmel bei dieser wunderschönen Strecke sehnlichst vermisst.

Schon am frühen Vormittag brennt die Sonne vom Himmel und spielt mit den Farben in den oberösterreichischen Seen. Allein dieses Fleckchen Erde bietet Sehenswertes für mehrere Tage.

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Auf jeden Fall stecken wir hier eine große Nadel in die Österreichkarte, denn hierher müssen wir unbedingt noch einmal kommen.

Die Fahrt nach Linz haben wir recht zügig über die Autobahn hinter uns gebracht, dann am Linzer Hauptplatz Kaffee getrunken und – was sonst? – Linzertorte gegessen. Linzertorte steht, wie auch die Sachertorte, im Verdacht, ein Nebenprodukt aus der Dämmplattenindustrie zu sein. Das könnte aber daran liegen, dass beide zu oft knochentrocken gebacken und allzu lange aufbewahrt werden. Dann hilft nur noch ein großer Klecks Schlagobers, um akuter Speiseröhren-Verbetonierung vorzubeugen. Die heutige, am Ursprungsort konsumierte Linzertorte war jedoch würzig-saftig.

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Hier in Linz stießen wir erstmals auf unserer Reise auf – sozusagen – die österreichische Hauptschlagader, die Donau – Patin für die inoffizielle österreichische Nationalhymne, den Donauwalzer, Lebensader, Naturparadies.

Und eines von vielen kleinen und großen Paradiesen, die dieser Fluss in dieses kleine feine Land geschliffen hat, ist die Wachau, das Talstück zwischen Melk und Krems, das auch seit einigen Jahren zum Unesco-Weltkulturerbe gehört.

Am neunten Tag merken wir bereits erste Ermüdungserscheinungen, es könnte aber auch an der Hitze liegen, dass wir auf Herumgehatsche keine Lust hatten. Alles mit dem Auto abzufahren, wäre eine Option, die Fahrt im gut gekühlten BMW ist aber – und das stellen wir zum x-ten Mal fest – nicht annähernd so lustig wie mit dem Cabrio. Aber es gibt noch eine feine Möglichkeit, die schönsten Orte dieses Landschafts-Juwels zu erleben, nämlich auf dem Schiff.

Und so verbrachten wir einen ruhigen, gemächlichen, faulen Nachmittag auf der MS Austria und hatten durch den Fahrtwind stromabwärts endlich wieder Wind in den Haaren und Sonne auf der Haut.

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Rüscherln und Locken (Tag 8)

Eigentlich wollte ich diesen Post mit einem passenden Zitat einleiten. Aber das einzige, das ich gefunden habe, von Mozart über Salzburg, ist dieses hier:

Ich hoffe nicht, dass es nötig ist zu sagen, dass mir an Salzburg sehr wenig und am Erzbischof gar nichts gelegen ist und ich auf beides scheiße.

Es war nicht einmal eine Hassliebe, die Mozart mit seiner Geburtsstadt verband, es war einfach überhaupt keine Liebe. Die Salzburger haben das entweder vergessen, oder sie haben ihrem „Wappentier“ ganz einfach zum eigenen Vorteil verziehen. Denn kaum überquert man die Salzburger Stadtgrenze, bauscht sich der Rock und an den Schläfen kringeln sich die Haare zu Locken. Alles hier hat Rüschen, sogar ein stinknormaler Mélange beim Tomaselli. Überhaupt ist es am allerbesten, sich gleich einmal in den Garten eines guten Kaffeehauses in einem der Gässchen zu setzen, und das barocke Treiben zu beobachten. Auf diese Art lernt man am meisten über Salzburg:

– Die Kutschpferde sind alle Haflinger.
– Ein Haflinger ohne Kutsche hat vermutlich eine Kundenkarte bei Hermès.
– Die gültige Währung hier heißt Mozarttaler.
– Wenn nicht „zufällig“ in der Nähe Straßenmusiker etwas von Mozart spielen, dann sitzt am Klo in der Nebenkabine jemand und pfeift die „Kleine Nachtmusik“
– Aber nicht alles, was von einem Straßenmusiker gespielt wird, ist auch Mozart. Kann auch Paul Simon sein.
– Touristen kann man hier sofort von Einheimischen unterscheiden. Nein, es sind NICHT die Fotoapparate.
– H & M links, Nordsee rechts, Spar mittendrin. Getreidegasse 9. Auslagen: Nordsee – Schillerlocken????, H & M – wird ewig ein Geheimnis bleiben (zu viele Japaner davor). Spar – ratet mal…
– Nein, Mozart wohnt hier nicht mehr.

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– Auf meinem schneeweißen Rock einen rosa Fleck mit Dirndl-Muster entdeckt
– Sogar S’Oliver führt hier Trachten
– Zu unserer großen Enttäuschung gibt es aber nirgends weiße Rokoko- Perücken zu kaufen. Das wär eine Hetz‘ bei der Hitz’…
– ich muss unbedingt sofort nach dem Urlaub zum Friseur.
– Die „Mozart-Parfums“ in den Souvenir-Shops sind eine echte Mutprobe.
– Die Souvenirshops auch.
– mitten in eine asiatische Reisegruppe zu geraten auch.
– das „Tomaselli“ steht in keinem asiatischen Reiseführer. Dafür hat der Salzburger Adel dem Verlag ganz schön was bezahlt.
– sogar die Pferdeäpfel sind kugelrund und in goldenes Stanniol gewickelt
– All meine Lieben kriegen von mir Mozart-Schneekugeln, Mozart-Drehorgeln, Mozart-G’schirrhangerln und Mozart-Bierhäferln mitgebracht (Hihi, jetzt zittern alle 🙂 🙂 )
– Ausgerechnet Mozart-Klopapier gibt es nicht, dabei hätte ihm selbst das sicher am besten gefallen.
– was wär‘ bloß aus Salzburg geworden, wenn Mozart woanders auf die Welt gekommen wäre? Graz?

Die zweitbeste Methode, Salzburg zu erleben, ist eine Kutschenfahrt.

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In einer knappen halben Stunde, beginnend am Residenzplatz, umrundet und durchquert man die Salzburger Innenstadt, bekommt vom Kutscher viele Sehenswürdigkeiten erklärt und manch eine Anekdote erzählt. Die Festung haben wir uns bei dieser Affenhitze geschenkt, wir kommen wieder, wenn die Temperaturen tiefer sind und der ganze Festspiel-Irrsinn vorbei ist. Vielleicht im Advent, hahahahaaa

Wahrscheinlich muss man sich beizeiten eine große Portion Mozartlikör genehmigen – oder nach wenigen Stunden flüchten, ein Stückchen raus aus der Stadt, zum Beispiel zum Hangar 7

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… oder nach Hellbrunn, wo die barocken Wasserspiele für amüsante und wohltuende Abkühlung sorgen.

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Wer anschließend noch bei tropischen gefühlten 50 Grad in den Zoo geht, ist vermutlich selber schuld und verdient es, von den Tieren mit purer Ignoranz bestraft zu werden. Die haben sich nämlich alle in diverse Höhlen, Baumstümpfe, Sumpflöcher oder sonstige Schlupfnester verzogen, nur hin und wieder sieht man eines von Schattenplatz A nach Schattenplatz B flüchten.

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Salzburger Liebe, eisgekühlt (Tag 7)

Was kann einem nach diesem paradiesischen gestrigen Abend noch Besseres passieren? Antwort: ein Frühstück ebenda, beim lieben Gott.
Es erwartet einen am wunderschön eingedeckten Tisch ein Marillen-Beeren-Kompott, Blutorangensaft, eine feine Auswahl an Brot, Käse und Schinken, Fruchtaufstriche und ein winziges Töpfchen mit Beerenjoghurt. Doch das ist erst der Anfang. Es wird einem außerdem ein vorzüglicher Gemüsesaft kredenzt sowie eine selbst aus Malaysia importierte Schwarzteemischung. Die Empfehlung aus der Küche lautet „Wachsweiches Ei mit Butter- Steinpilzen und Basilikumcreme“, eine Komposition, die warm serviert wird. Wenn man das Ei öffnet, verbindet sich der gerade noch leicht flüssige Dotter mit den Pilzen und dem Basilikum zu einem molligen Hochgenuss. Dann wird einem ein Schälchen hingestellt mit Perlhuhnsalat, sicherlich die Keulen der gestern verzehrten Terrinen-Perlhühner, mit knackigem Lauch, einer ganz leicht mayonnaisigen Sauce, Kräutern und Tomaten.

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Wie kann man bitte besser in den Tag starten????

So waren wir gut gestärkt für das erste heutige Ausflugsziel, nämlich die Eisriesenwelt, die größte Eishöhle der Welt. Da es den Ablauf der geführten Touren massiv beeinträchtigen würde, ist das Fotografieren in der Höhle nicht gestattet. Beim Klick auf den Link bekommt man die Bilder – nebst vielen Hintergrundinformationen – noch schöner, als man sie in einer relativ großen Gruppe selbst machen könnte. Es erwartet einen eine zwar anstrengende (insgesamt gut vierzig Minuten Fußweg bis zum Höhleneingang, nicht gerade eben, sondern recht steil, fast zwei Kilometer Wegstrecke in der Höhle, inklusive weit über 1000 Stufen, und das Ganze wieder runter), aber märchenhaft schöne Traumwelt aus Eis. Draußen bereits am frühen Vormittag eine Gluthitze, drinnen Temperaturen um den Gefrierpunkt, das hält den Kreislauf ganz schön auf Trab.

Mit gaaaaaaaaanz viel Bedauern, dass wir die wunderschöne Strecke leider leider nicht im offenen Auto genießen konnten, ging es anschließend über den Paß Lueg, streckenweise die Lammer entlang (Fotos werden nachgereicht), hinter dem Dachstein vorbei, über Gosau nach Hallstatt. Wenn’s das so nicht schon gäbe, dann müsste man es glatt erfinden. Weltkulturerbe, wunderschöne kleine alte Stein-Holz-Häuser, schon fast übertrieben kitschige Lage am smaragdgrünen Hallstättersee, magischer Anziehungspunkt für – vor allem – asiatische Touristen. So magisch, dass Hallstatt sogar irgendwo in China originalgetreu nachgebaut wurde.

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Der Tag klang aus in Fuschl am See, wo es in einem der zahlreichen Restaurants nicht nur wunderbare regionale Fische gab…

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… sondern auch das Salzburger Nationaldessert. Und was es damit auf sich hat, erklärt am besten ein Lied von Peter Alexander aus einem alten Kitschfilm aus den 60er-Jahren.

Salzburger Nockerln, Salzburger Nockerln
süss wie die Liebe und zart wie ein Kuss
Salzburger Nockerln, Salzburger Nockerln
sind wie ein himmlischer Gruss

Und wird mal beim Hergott mal ein Fest arrangiert
ja was glauben sie, wird da als Nachspeis‘ serviert, na
Salzburger Nockerln, Salzburger Nockerln
werden als Nachspeis serviert

Der Cäsar, der hat die Cleopatra
so ferchterlich gerne gemocht
die hat ja schon damals in A-Afrika
in Salzburger Nockerln gekocht

Die Potifar hat sie dem Josef gebracht
die Pompadour hat sie dem Ludwig gemacht
und der Liebestrank wird auch noch jetzt
durch Salzburger Nockerln ersetzt

Darum ess ma jetzt alle
Salzburger Nockerln, Salzburger Nockerln
süss wie die Liebe und zart wie ein Kuss
Salzburger Nockerln, Salzburger Nockerln
sind wie ein himmlischer Gruss

Im Grunde sind sie der wahrgewordene Traum für alle, die immer schon gerne aus der Teigschüssel genascht haben, wenn Biskuit gebacken wurde. Fluffig gebackener, innen noch cremiger, duftender, warmer Biskuitteig.

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Wo der liebe Gott wohnt… (Tag 6)

Auch wenn dieser Tag viel Unbill gebracht hat, gilt doch das schöne Sprichwort, dass man selbigen nicht vor dem dazugehörenden Abend loben – oder in unserem Fall ausschimpfen – soll. Dieses Loblied auf den Abend kam nicht wirklich unerwartet als Wiedergutmachung für viel Ärger, sondern war wohl kalkuliert, eiskalt berechnet sozusagen. Aber ist es schlimm, wenn man bei bestimmten Dingen im Leben schon vorher ganz genau weiß, was einen erwartet? Und ist es schlimm, wenn man inmitten dieser Unannehmlichkeiten schon vorher weiß, dass man in wenigen Stunden ein riesengroßes rosarotes Heile-heile-Segen-Trostpflaster auf’s aufgeschlagene Gemüt geklebt bekommt? (Natürlich wär’s uns noch lieber gewesen, uns dieses „Alles gut und das Leben ist einfach nur himmlisch“-Pflaster ohne Autopannenscherereien in’s Reisetagebuch zu picken)

So fiel die Beantwortung einer ganz bestimmten Frage nicht schwer, es ging uns sozusagen wie bei der Millionenshow, wo der Kandidat eine Millionenfrage genau über das Thema bekommt, wo er vorher noch ein dickes Buch dazu gelesen hat. Der jubelt auch, wenn die Goldkonfetti auf ihn niederregnen. Gut, der Vergleich hatscht ein bissl, schließlich weiß der Kandidat die Frage und die Antwort erst, wenn er schon die längste Zeit auf dem Stuhl hockt. Wir wussten es in dem Moment, als wir die virtuelle Stecknadel in die reale Österreichkarte gepinnt haben. Im März.

Achso, ja, die Frage:

„Wo wohnt der liebe Gott?“

Es kann nur eine Antwort geben: in Werfen, im schönen Salzburg. Warum gerade da? Gibt’s nicht noch viele andere, mindestens gleich schöne Orte in Österreich? Ja, mag sein. Aber denen fehlt samt und sonders etwas Entscheidendes. Die haben nämlich keine Obauers. Und drum wohnt der liebe Gott ganz eindeutig hier, und nirgendwo sonst.

Wer schon mal hier war, wird jetzt seufzend die Augen schließen und sich denken: „Ooooooh, jaaaaa!!!!“ Allen Heiden sei erklärt: die Brüder Obauer sind seit gut zwanzig (!) Jahren ein kulinarischer Fixstern am europäischen Kulinarik-Himmel. Schon ziemlich gleich lang sind die Brüder ohne Unterbrechung (!) mit vier Gault-Millau-Hauben ausgezeichnet, eine Konstanz, die hierzulande fast niemand schafft. Aber wir sind ja nicht hier, um Hauben zu essen, sondern um uns mit Messer und Gabel in die fünftnächste Dimension zu beamen – und, jajajaja, nicht ungeduldig werden, ich komm ja schon zur Sache 🙂

Aperitif
Fotolos ausgesoffen. Rote Ribisel, mit Sagoperlen und Minze als Bowle eingelegt, ein Löffelchen davon mit Cremant Rosé aufgegossen.
Als kleiner Appetizer dazu:

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I. UZS: Gebackener Steinbutt auf Kernöl-Mayonnaise, am Löffel Marillen-Sauerrahm-Creme, darüber eine Lammsulz und Apfel-Chili-Gelée
Ich hab keine Ahnung, wie man so viel Geschmack in so einen kleinen Würfel Sulz bekommt.

Die Menüwahl fiel uns nicht schwer.

Amuse Gueule
Jeder bekam etwas anderes. Und wer fototechnisch zu spät kommt, der hat nachher keines.

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Kalbstartare; ohne Foto: Kohlrabi-Blätter mit Nuss-Pesto, Radieschen-Schaumsüppchen
Man lasse zukünftig lieber die Radieschen beim Marktstandl und nehme nur die Blätter mit, sollen die Kaninchen was anderes fressen, die Blätter bekommen sie nicht mehr. Das Süppchen kam übrigens gut gekühlt, in einer gaaaaaaanz leicht angedickten Form, fast ein bisschen so, wie Vanillemilch, natürlich ohne Vanille, Grün-Milch sozusagen, herrlich erfrischend. Das Nuss-Pesto…. kann eigentlich keine große Hexerei sein… man müsst‘ halt nur auf den Trick dahinter kommen. Der Honig? Oder doch einfach das Zusammenspiel mit den leicht pfeffrigen Kohlrabi? Auf einem kleinen Löffelchen der Geschmack von fünf Kilo Nüssen. Die Eichhörnchen gehen zukünftig auch leer aus.

Vorspeise

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Terrine vom Perlhuhn und Gänseleber, mit Fenchel und Apfel-Staudensellerie-„Kompott“
Gänseleber hat leider einen ganz schlechten Ruf. Aber ich gehe mal fix davon aus, dass das hier ganz sicher keine – zu Recht verbotene – Stopfleber ist. Gänse werden nun mal, wie viele andere Tiere auch, gegessen, und Gänse haben Lebern. Warum also wegwerfen? Als „Zwischendecke“ ist knackig gegarter Fenchel eingezogen, das ganze nicht süßlich, wie bei Leber sonst oft üblich, sondern durch die Apfelwürfel, Granatapfelsaft und frische Kräuter (Steinklee und Fenchelblüten) knackig säuerlich mariniert. So erlebt man zuerst die einfach nur sündhaft-mollige Cremigkeit der Leberterrine und dann dazu das Anis-Aroma des sommerlichen Fenchel und zum Drüberstreuen das Granatapfel-Aroma, während sich das Perlhuhn zwischendrin ganz zart zurückhält und sozusagen eine Bühne bildet für die sommerliche Geschmackswelt der anderen Zutaten.

1. Hauptgang

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Zander mit Radieschennudeln
Ein Glasschiffchen ankert am Tisch. Wunderbarer Duft schlägt einem entgegen, von dottergelben Eiernudeln, dazwischen kurz und knackig gegarte Radieschen-Stiftchen (wir revidieren, die Kaninchen kriegen auch die Radieschen NICHT. Und werden sie zukünftig nicht mehr nur in Blattsalat versenken) – alles in einer wiesengrünen, säuerlich-frischen Estragonsauce. Und auf all dem thronen zwei dicke Tranchen Zander, offensichtlich vakuumgegart, unbeschreiblich zart und saftig entwickelt der Fisch im Mund Geschmacksnuancen, die man so noch nicht kannte. Als nur noch ein „Noagerl“ im Teller ist, überlegen wir, ob wir durch gezielten Wurf des Salzsteuers in Richtung Weingläser einen Tumult verursachen sollen, um ungestört die Teller abschlecken zu können. Aber wir bleiben natürlich zivilisiert 🙂

Dazu übrigens ein Sauvignon blanc vom Grassnitzberg.

2. Hauptgang

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Rosa Beiried und geschmorte Wade vom Jungrind, mit Wacholder und Kohlrabi-Gemüse
Jetzt wäre wirklich fast etwas in Richtung Weingläser geflogen, um ungestört die Teller abzuschlecken oder unsere Eltern hätten sich in Abwesenheit für laute Schmatzgeräusche geschämt – und das anwesende eigene Kind wär gleich noch ordentlich verzogen worden. Für dieses Gericht gab es nur ein Wort: einfach UNGLAUBLICH. Ein butterzartes Beiriedstückerl, mollig-sahnig-dillige Kohlrabi, die fortan zum König der Gemüse ernannt werden. Und dann die geschmorte Rinderwade im Wacholdersafterl… wie kann man die beschreiben… gar nicht. Dafür gibt es keine Worte. Das Fleisch so zart, dass man es mit dem Kaffeelöffel essen hätt‘ können, das Wacholdersafterl dicht, facettenreich, würzig, sensationell, UNGLAUBLICH eben.

Den Wein habe ich mir ob dieser paradiesischen Opulenz nicht gemerkt, es war irgendwas wunderschönes Rotes aus dem Burgenland, das natürlich – wie könnte es anders sein, wenn im perfekt eingespielten Team auch ein Klasse-Sommelier ist – grandios gepasst hat.

Ermattet lässt man sich in den Sessel sinken und denkt, dass es gar nicht mehr menschenmöglich sein kann, diesen Gang noch zu toppen. Aber dann…

DAS Dessert

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Buttermilch-Schlüsselblumenhonig-Mus mit Nusskeks, Rhabarber und Sauerampfer-Eis

Wo fang‘ ich bloß an… das herrlich erfrischende, fluffige, ganz leicht honigsüße Mus, dazu ein mürb-knuspriger, intensiv nussiger, dünner Keks, säuerliches Rhabarberkompott, aber die Krönung des Ganzen war das Eis. Ein Löffelchen schmilzt sofort im Mund und explodiert genau da und plötzlich ziehen im Zeitraffer all die saftig-grünen Wiesen vor dem geistigen Auge vorbei, und man spürt den frischen Almwind von Galtür und den Geruch von frischem Gras, der einem irgendwo auf der Fahrt in die Nase gestiegen ist. Und es ergibt sich mit dem buttermilchigen Mus und den gelben Schlüsselblumen ein Bild, ein Gesamtkunstwerk.

Die Kühe müssen sich zusammen mit den Kaninchen und den Eichhörnchen zukünftig auch was anderes zum Fressen suchen. Sauerampfer wird requiriert.

Die kleinen Naschereien, die noch dazu gestellt wurden, Mandelbögen, kleine Marshmellows, ein Himbeer-Haferflockenwürfel,ein kleines cremiges Würfelchen und Beerengelee, gehen da fast unter.

Man geht ganz langsam ins Zimmer zurück, als könnte man damit noch ein kleines Stückchen länger an diesem Abend festhalten und kippt da müde, satt und sehr zufrieden mit dem Wissen in’s Bett, dass man hier dem Himmel ein kleines Stückchen näher ist, als sonstwo, denn hier muss er wohnen, auf jeden Fall essen – oder vielleicht kochen, der liebe Gott.