Am gestrigen Abend sind wir an unserer letzten Station angelangt – und gleichzeitig an dem Gegenpol der vielen Kontraste, die Österreich zu bieten hat. Wenn das Gegenteil des hochalpinen Klimas die Steppe ist, der Gegensatz zu einem frischen Almlüfterl ein heißer Föhnwind und zu Dreitausendern ein See, dann ist die Rede vom burgenländischen Seewinkel, inmitten der pannonischen Tiefebene. Sogar die Ziergärten bei den Häusern, auch die Häuser selbst, sehen ganz anders aus, als in den westlichen Regionen. Werden dort die Fenster mit Hängepelargonien geschmückt und sind vor den Holzhäusern kleine Bauerngärtchen angelegt, stehen hier im Burgenland, im heißen trockenen Steppenklima, Oleander und Agapanthus in großen Kübeln, wilder Wein rankt sich über große Einfahrtstore, die, wenn sie offen stehen, den Blick freigeben auf wunderschöne großzügige Innenhöfe, kleine, begrünte Oasen mit schattigen Arkaden und Kellereingängen.
Im Gegensatz zu vielen anderen Seen war man sich hier schon sehr früh der Einzigartigkeit dieses Naturparadieses bewusst und hat durch eine sehr scharfe Bau- und Naturschutzverordnung verhindert, dass der breite Schilfgürtel zerstört und die Ufer mit hässlichen Hotel-Plattenbauten zubetoniert wurden. So konnte hier ein einzigartiges Naturparadies erhalten werden, das zu Recht zum Unesco-Natur-Welterbe erklärt wurde. Unzählige Vogelarten brüten und leben hier, unter anderem kommen den Sommer über auch viele Störche und so ist es typisch für die kleinen, am See liegenden Gemeinden, dass hier auf jedem anständigen Rauchfang ein riesiges Storchennest sitzt [und die Dächer darunter von den fliegenden Glücksbringern zentimeterdick zuge***** sind 🙂 ]
Unter vielen idyllischen Orten rund um den See, sticht einer besonders heraus, und das ist Rust. Kleine Kellergassen, zwei wunderschöne Plätze in der Mitte, direkt am Schilfgürtel, viele schöne alte Winzerhäuser, aber ohne diese Massen-Urlaubsgeschäftigkeit wie im Lignano-ähnlichen Podersdorf am gegenüber liegenden Seeufer.
Ich hatte keine Ahnung von dieser Schönheit. Rust, ja, man hat davon gehört, soll ganz nett sein und so… aber wie bei allen Dingen, die man nur vom Hörensagen kennt, kann man bei diesen Erzählungen nur nicken, ja, da will man auch mal hin.
Und da waren wir dann, gestern, an einem der heißesten Abende dieses Jahres, sind auf ein Lokal mit dem Bauchgefühl-Kompass zugesteuert, weil da schon die meisten Tische besetzt waren und hier gelandet, im Ruster Hof:
… ganz offensichtlich auch ein prominenter Drehort für eine ORF-ARD-Serie, „Der Winzerkönig“. Über uns der Himmel mit blauer Seide bespannt, im Glas der lichterleuchtende Muskateller, auf dem Teller pannonische Küche…
„Fischpaprika“, fast wie eine Bouillabaisse, nur eben mit viel fruchtigen roten Paprika. Nur die Miesmuscheln glaube ich ihnen nicht…
… und auf den Hausdächern landen die Störche in ihren Nestern und klappern die blaue Seide an
Das war die zweite Überraschung hier, wenn man, nur um eine Kleinigkeit zu essen, dann ein kulinarisches Glanzlicht erlebt.
Am heutigen Vormittag, längst klirren an den Flipflops wieder die Sporen, heißer Wüstenwind,… treibt uns der Podersdorfer Massen-Badetourismus und ein Hochsicherheits-Badestrand (jeder Meter Seeufer abgesperrt, Baden entweder gegen saftiges Entgelt oder eben nicht, während an allen anderen Seen zumindest kleine öffentlich zugängliche Zonen waren) wieder zurück nach Rust, wo gerade die Störche aus ihrer nahen Lagune wie die Boeings über Schwechat in ihre Nester zurück kehren (meist nur kurz, sonst würden’s in Nullkommanix zum Grillhendl werden da oben, in der sengenden Sonne)…
… und wollen eigentlich noch einmal filmreif essen – nur hat der Wirt leider gerade Drehpause. Da erleben wir die nächste Überraschung, im nahen „Wirtshaus im Hofgassl“:
… und auf die Teller kam dann das kulinarische Highlight (Obauer läuft außer Konkurrenz) und krönender Abschluss unserer Tour:
Geeiste pannonische Gemüsesuppe mit Bruschetta
Gebratener Zander mit Safranrisotto und Vanille-Paprika – etwas ganz Sensationelles, fruchtige rote Paprika geschält und „geschmolzen“, mit Vanille aromatisiert
für das Kind:
Spanferkel, vakuum-gegart, mit Erdäpfelnockerl und Blattspinat
Für die Sonnenseite in meinem Leben:
Kokosschaumsuppe mit Chili und Garnelen, anschließend Carpaccio
Zum Schluss als Nachtisch für uns drei:
Tresterbrandparfait mit karamellisierten Bananen und Haselnüssen
Der erste Abend dieser Reise endete mit sonnenuntergangsfarbenem Aperol, der letzte Abend – schon wieder – mit mondleuchtendem Muskateller, die Geräusche, nämlich das Sirren der Zikaden, sind die gleichen, ein Windlicht auf dem Tisch, es ist warm… aber hier zu Hause nicht so warm, dass einem dieser unglaubliche Sommer den Schlaf raubt, so wie in den letzten Tagen.
Und so sitzen wir hier, plaudern über die vielen Dinge, die wie gesehen und erlebt haben, und sind sehr zufrieden, mit uns, und mit diesem wunderbaren Fleckchen Erde, das uns der liebe Gott vor die Haustür gestellt hat. Es wird wohl noch ein paar Tage dauern, bis diese unglaubliche Reise bis zum letzten Bissen verdaut ist, darum ist hier auch sicher noch nicht so schnell Schluss.
Wir gehen ein ganzes Stückchen reicher schlafen.