Wo fängt man an, bei einem Tag der um so vieles breiter ist als viele andere? Wo man so viel sieht, so viele Kontraste, die alle zusammen dann wie Facetten in diesen funkelnden kleinen Diamanten geschliffen sind. Obwohl – nein – Diamant passt nicht. Es funkelt, es glänzt, es hat Feuer, aber mondän und protzig und primadonnenhaft ist es nicht, dieses kleine feine Land. Kein Diamant. Das wär wie so ein etwas zu üppig behangenes Landpomeranzerl beim Wiener Opernball. Ein wunderschöner mondklarer Bergkristall, geheimnisvoll, licht, und auch funkelnd – und in seiner natürlichen Schlichtheit etwas ganz besonderes unter all den Diven. Das passt besser.
Unsere Route führte uns heute von Pörtschach am Wörthersee in Richtung Westen, über Hermagor nach Kötschach-Mauthen. Das Tal ist dort breit, (wie derzeit fast alle Orte in Österreich) heiß und trocken. So heiß, dass an den Flipflops wieder die Sporen klirrten und der 50er-Sonnenschutzfaktor hart an seine Grenzen gebracht wurde. Nach Kötschach-Mauthen – wo wir leider für ein kleines feines Mittagessen bei Sissy Sonnleitner viel zu früh dran waren, ein Sakrileg eigentlich… – beginnt die Route durch eines der schönsten Täler Österreichs, das Lesachtal.
In engen Kurven windet sich die Straße in die Höhe, steile Schluchten, dichter Wald, offene Weideflächen und malerische kleine Orte wechseln sich ab
Am Ende des Lesachtals kommt man ins obere Drautal und weiter in die Hauptstadt Osttirols und einem der Bergsportzentren, Lienz.
In der Lienzer Innenstadt geht es fast noch betriebsamer zu als in Graz, es wutzelt sich durch die Gassen, es wutzelt sich in den Geschäften, es wutzelt sich in zahlreichen Cafés und Restaurants.
(Schaut hier richtig menschenleer aus).
Ich wollte nicht schon wieder – so wie gestern – den üblichen PizzaPastaFocaccia- Einheitsbrei, sondern träumte, inspiriert durch die vielen Wildwasser auf unserer Strecke, von Fisch. Forelle. Was österreichisches. Wo gäbe es das wohl eher, wenn nicht im „Goldenen Fisch“? Auf der Vorspeisenkarte schließlich dann etwas typisch Regionales: Tiroler Graukäse. Dieser Käse wird aus magerer Milch (die nach dem Abschöpfen des Rahms übrig bleibt) hergestellt, die mit Milchsäurebakterien versetzt wurde. Daraus entsteht eine klumpige, topfige Masse, die zu Laiben gepresst mehrere Wochen reift. Dabei entsteht auf den Laiben ein Edelschimmelrasen, der mit längerer Reifung den Geschmack noch verstärkt. Der Geschmack…
Serviert wird der Käse meist mit Essig und Öl mariniert, dazu Butter, Brot und hier im Goldenen Fisch noch mit einer ganzen Menge Garnitur. Gut so… denn der Geschmack… nunja, wollen wir ihn einmal „speziell“ nennen. Er ähnelt keinem Käse, den ich sonst noch so kenne und ich würde sagen, er ist nicht unbedingt etwas für zartbesaitete Käsegemüter, die sich schon als mutig bezeichnen, wenn sie im Supermarktregal einmal zum Blauschimmel greifen. Dem ähnelt er aber auch nicht. Er hat auch nichts von der wuchtigen Würze eines Bergkäses, nichts Cremiges wie ein Brie, nichts Heftiges wie Ziegenkäse. Und trotzdem hat er etwas, was das Marinieren und die frischen Zwiebelringe mehr als rechtfertigt. Nasser Fetzen? Bissl was Ranziges? Ich weiß es nicht, und ich werde es auch nicht weiter recherchieren, außer vielleicht bei Gelegenheit in Form von Kaspressknödeln. Aber da kommt er dann ja auch nicht alleine daher, der Tiroler Graukäse…
Ja, und dann waren da ja noch die Forellen.
Buttrig-würzig-zart gebraten, ein Hauch Knusprigkeit, aber nicht so durchgebraten, dass das hübsche Tier in der Pfanne ein zweites Mal exekutiert geworden wäre. Dazu schlicht und ergreifend Petersilerdäpfel, die im übrigen einer der ultimativen Beweise sind dafür, dass etwas wirklich Gutes völlig ohne Chichi daherkommt. Dass wir bis abends noch immer pappsatt waren, lag nicht nur an den übergroßen Portionen, sondern wahrscheinlich eher an Eiskaffee und Bananensplit etwas später.
Unmittelbar nach unserem Aufbruch aus Lienz schlug dann doch noch das Wetter um, einige Schauer brachten angenehme Abkühlung und sorgten dafür, das wir erstmals mit geschlossenem Dach weiterfuhren. Weiterfuhren zurück nach Kärnten, in’s Mölltal.
Von der Straße aus gut zu sehen und nach einem kleinen Fußmarsch leicht zu erreichen, liegt der Jungfernsprung:
Der Sage nach hat an dieser Stelle eine wunderschöne Sennerin nur durch einen Sprung über die Felsenkante ihre Seele und Unschuld vor den Zudringlichkeiten des Mensch gewordenen Teufels retten können, der klassische Kollateralschaden war blöderweise der Verlust von Leib und Leben.
Am Talschluss des Mölltals liegt schließlich, eingerahmt von den wuchtigen Berggipfeln der Tauern, Heiligenblut. Das Kirchlein bietet eines der kitschigsten Postkartenmotive, die man in Österreich schießen kann.
Dicht an die Kirchenmauern und die engen Friedhofsmauern geschmiegt, als könnte sie das auch nach dem Tod noch schützen und wärmen, mit Blumen und schmiedeeisernen Kreuzen geschmückt, reiht sich Grab an Grab, darunter viele, die in ganz jungen Jahren hier die letzte Ruhe fanden…
… denn hier liegen auch viele, die den Tod da gefunden haben, wo sie für’s Leben gern waren: in den Bergen. Ein Mahnmal erinnert daran:
Nein, kein Mahnmal, eher ein Denkmal. Wer die Berge liebt, lässt sich nicht durch Ermahnungen davon abhalten, wieder und wieder hinaufzusteigen. Und so steht es da, das Kreuz, mit dem Seil und mit dem Pickel. Und zu seinen Füßen ein metallenes Buch mit zu vielen Seiten. Und auf den Seiten, Zeile um Zeile eingraviert, die Namen und der Schicksalstag all jener, die frohen Mutes hinaufgegangen sind, aber nicht mehr zurück kamen.