Souvenirs

Irgendwann einmal, so vor 117 Jahren, vielleicht waren es auch 278 oder 342 – und wer weiß, was Kolumbus außer Kartoffeln und Paprika für Ramsch mitgebracht hat – hat irgendein Reisender Zweifel gehabt, ob die Nachbarn wohl wirklich den Kanarienvogel brav füttern, den Gummibaum (oder was auch immer für Grünzeug sich die Leute seinerzeit in die Häuser gestellt haben) ordentlich gießen und wohl nicht herumstirln in fremden Laden, ziemliche Zweifel, und sich als Rache gedacht, den Nachbarn so richtig fies zu bestrafen für alle potentiellen Missetaten während der eigenen Abwesenheit. Das zweite mögliche Motiv, warum man auf Reisen säckeweise Klumpert für die Daheimgebliebenen aufkauft, ist wohl so etwas wie „Ääääääätsch, ich war da, und Du nicht!“. Anders kann ich mir einfach nicht erklären, warum man den lieben Freunden und Verwandten (übrigens schon mal bemerkt, dass man es meistens in dieser Reihenfolge sagt?) geschnitzte, plastifizierte, verschneekugelte oder verstrasste und dann auch noch Lärm von sich gebende Bauwerke und Figuren aufs Kaminsims oder in die Devotionaliengalerie hext.

Skurril waren nicht nur die möglichen Beutestücke, sondern teilweise auch die Orte, an denen sie feilgeboten wurden.

Im sonntäglichen Klagenfurt waren alle Geschäfte zu, wir werden nie erfahren, ob es da möglicherweise Plastik-Lindwürmer gibt. Um ausgestopfte Vogelspinnen aus dem Reptilienzoo und Eiffelturm-Schneekugeln rund um Minimundus haben wir einen Bogen gemacht, wer weiß, was es da alles gegeben hätte, am Wörthersee waren in erster Linie Baderequisiten und Kinderberuhigungsmaterial wie Bälle und Sandspielzeug erhältlich.

Das erste Mal wirklich mit Nase, Knie, Ellbogen, und was man sich sonst noch unter Freudenschreien irgendwo anrennen kann, sind wir dann im Dunstkreis des Großglockners auf solches Zeugs gestoßen. Auf den ersten Blick könnte man sogar meinen, die Heiligenbluter essen zum Frühstück geschnitzte Murmeltiere, zum Mittag Plüsch-Gemsen und abends Kräutersalben aus Keramik-Bierkrügen, denn ausnahmslos jedes Geschäft offeriert auf den ersten zweihundert Quadratmetern originale, von den Einheimischen an langen Winterabenden im Schein des Herdfeuers hergestellte Handarbeiten… 😉 😉 😉 😉 😉

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…und mit so einer Mütze könnte man sich in eine Mulde ducken und die Japaner pflanzen

Wer glaubt, dass sich das Vorhandensein eines Souvenir-Geschäfts auf die Symbiose mit einer städtischen oder wenigstens dörflichen Infrastruktur beschränkt, wird nicht nur am Großglockner (siehe Bilder oben), sondern auch mitten in der Pampa Gegend, bei den Krimmler Wasserfällen, eines Besseren belehrt

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Der Murmeltieräquator reicht bis kurz vor den Bodensee, inklusive dem Shop am Bergisel-Stadion. Dort gibt es auch Eisbär-Mützen, wie sie die österreichischen Ski-Stars tragen…

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Bild und weitere Informationen von „Der Fan-Shop“

Das wär‘ ja, im Gegensatz zu Plastik-Hirschg’weihen, was Nützliches. Für den Preis, den so ein kleines Mützlein kostet, kriegt man feinste reine Wolle für mindestens einen ganzen Pulli. Ich werde also demnächst wieder an der Nadel hängen. Warum sowas aber in dieses Skurrilitätenkabinett passt, ist das nächste Souvenir-Spezifikum: sie sind frivol teuer. Ich hatte einmal ein Computer-Spiel, „Anno 1604“ (übrigens das einzige, das ich je besessen habe), da konnte man mit einem Regler die Steuern so lange hochdrehen, bis einen der exemplarische Siedler mit zerrauften Haaren angefinstert hat. In den Souvenir-Shops werden die Kunden mit kleinen Kameras beobachtet. Die Preise werden so lang angehoben, bis mindestens fünf Kunden in Serie mit Ohnmachtsblässe auf den Linol-Boden sinken. Die hohe Leidensfähigkeit der erlauchten Souvenir-Kundschaft legt den Schluss nahe, dass entweder die oben genannten Rachegedanken wirklich sehr tief sitzen müssen oder aber das versehentlich vergessene Preisschild den Beschenkten so richtig nachhaltig in Verlegenheit bringen soll (der rächt sich dann mit „griechischen“ Tischsets und zwei Flaschen Mundwasser Ouzo).

Jetzt gibt’s halt die putzigen Murmeltiere im Westen und Plüsch-Störche im Osten…

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(Murmelsalbe gibt’s auch, aber von Storchen-Creme hab ich noch nie was gehört)

…aber wir haben keine Kate&William-Kaffeehäferln.

Nein, die Rache der Österreicher ist viel perfider. Wir schlagen zurück. Aus vollen Rohren. Mit Häferln, Tellern, Regenschirmen, Konfekt, reinseidenen Polyestertüchern, Polsterbezügen, Büchern und – äääääääääätsch, DAS gibt es von Kate und Silvia und wie sie alle heißen, NICHT – mit CD’s. Denn wir haben Sisi & Franzl („Siiiisssi!!!“ – „Frrrrranzzl!!!“) und wir haben den Wolferl. (Also: DIE haben Sisi, Franzl und Wolferl, wir Grazer schauen schon wieder ein bissl blöd durch die Finger, wer will denn schon mit dem Arnie angeben, und den Erzherzog Johann kennen jenseits des Grünen Herzen schon nicht mehr so viele, seine Frau, die Anna, hat wenigstens ein marketingtechnisch gut verwertbares Dirndl erfunden).

Jedenfalls ist es so, dass man die drei oben Genannten (OK, nach dem Franzl kräht in Wahrheit keiner) glatt hätte erfinden müssen als Wirtschaftsmotor für die Devotionalienbranche. Strass-Sterne und das Musical bei Sisi, ein musikalisches Welterbe beim Wolferl, eine herzzerreißende Lebensgeschichte bei allen beiden, melancholische Gedichte und Unrast bei der einen, die Attitüde eines Popstars beim anderen. Aus solchem Stoff sind die ganz großen Geschichten gewebt – und die passenden G’schirrhangerln.

Nordöstlich des Murmeltieräquators erstreckt sich also über mehrere Breitengrade das Wolferl-Königreich. Kaum hat man Innsbruck und Kitzbühel im Rückspiegel, heißt jede zweite Frühstückspension „Mozart-Blick“ ( die anderen „blicken“ auf den Dachstein), es gibt den Wolfgangsee, St. Wolfgang, die Skiwelt „Amadé“, bis man sich dem Epizentrum nähert, Salzburg:

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Wem graue Haar‘ und roter Rock nicht so gut stehen, der kann sich auch allerorts Dirndl-mäßig einkleiden und dann im Kanon mit dem „Jeeeeeeederrrrrmaaaaannnn“- Rufer von der Festung Hohensalzburg herunterjodeln.

Jetzt ist es ja nicht so, dass Mitbringsel grundsätzlich Generationen überdauernde Familien-und Nachbarschaftsfehden verursachen müssen („Bis einer weint“), es gibt ja auch Sinnvolles zu verschenken oder zu kaufen.
Zum einen finden sich in der unmittelbaren Umgebung von großen Kirchen oder von Wallfahrtsorten, wie zum Beispiel Mariazell, religiöse Devotionalien, die meistens nur von Leuten gekauft oder an welche verschenkt werden, denen der damit verbundene religiöse Hintergrund etwas bedeutet.

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Dann gibt es den Alltag verschönerndes, wie zum Beispiel Schmuck aus Donaukieseln

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Bild stammt von der oben verlinkten Seite

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… oder Kleidung und Accessoires, wie Strickwaren (dicke Wollsocken in Island) oder Tücher. Und so lange da nicht riesengroß „I love Wolferl“ draufsteht oder „Ich war in Innsbruck und alles, was ich kriege, ist dieses blöde T-Shirt“ kann man es auch außerhalb des Baumarktes und nicht nur beim Gartenarbeiten tragen.

Und zu guter Letzt sind da noch die praktischsten aller Souvenirs, weil man sie ganz leicht wieder los wird, nämlich durch Verzehr.

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Marillen in allen denkbaren Aggregatzuständen in der Wachau, Salz aus Hallstatt…

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Bildquelle: Salzkontor (Link oben)
…selbst die allgegenwärtigen Mozartkugeln und natürlich Wein. Wer nicht noch mehrere Tage im Auto unterwegs ist, könnte sich auch so manche regionale Spezialität einpacken lassen, Vorarlberger Bergkäse zum Beispiel, Tiroler Speck oder Zauner Stollen aus Bad Ischl.

Womit wir wieder beim Christoph wären, dem Kolumbus. Der muss sich das Gleiche gedacht haben, mit den Tomaten, den Erdäpfeln und dem Mais, in der Steiermark besser bekannt als „Sterz“. Aber das ist eine andere Geschichte…

Überraschungen

Am gestrigen Abend sind wir an unserer letzten Station angelangt – und gleichzeitig an dem Gegenpol der vielen Kontraste, die Österreich zu bieten hat. Wenn das Gegenteil des hochalpinen Klimas die Steppe ist, der Gegensatz zu einem frischen Almlüfterl ein heißer Föhnwind und zu Dreitausendern ein See, dann ist die Rede vom burgenländischen Seewinkel, inmitten der pannonischen Tiefebene. Sogar die Ziergärten bei den Häusern, auch die Häuser selbst, sehen ganz anders aus, als in den westlichen Regionen. Werden dort die Fenster mit Hängepelargonien geschmückt und sind vor den Holzhäusern kleine Bauerngärtchen angelegt, stehen hier im Burgenland, im heißen trockenen Steppenklima, Oleander und Agapanthus in großen Kübeln, wilder Wein rankt sich über große Einfahrtstore, die, wenn sie offen stehen, den Blick freigeben auf wunderschöne großzügige Innenhöfe, kleine, begrünte Oasen mit schattigen Arkaden und Kellereingängen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Seen war man sich hier schon sehr früh der Einzigartigkeit dieses Naturparadieses bewusst und hat durch eine sehr scharfe Bau- und Naturschutzverordnung verhindert, dass der breite Schilfgürtel zerstört und die Ufer mit hässlichen Hotel-Plattenbauten zubetoniert wurden. So konnte hier ein einzigartiges Naturparadies erhalten werden, das zu Recht zum Unesco-Natur-Welterbe erklärt wurde. Unzählige Vogelarten brüten und leben hier, unter anderem kommen den Sommer über auch viele Störche und so ist es typisch für die kleinen, am See liegenden Gemeinden, dass hier auf jedem anständigen Rauchfang ein riesiges Storchennest sitzt [und die Dächer darunter von den fliegenden Glücksbringern zentimeterdick zuge***** sind 🙂 ]

Unter vielen idyllischen Orten rund um den See, sticht einer besonders heraus, und das ist Rust. Kleine Kellergassen, zwei wunderschöne Plätze in der Mitte, direkt am Schilfgürtel, viele schöne alte Winzerhäuser, aber ohne diese Massen-Urlaubsgeschäftigkeit wie im Lignano-ähnlichen Podersdorf am gegenüber liegenden Seeufer.

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Ich hatte keine Ahnung von dieser Schönheit. Rust, ja, man hat davon gehört, soll ganz nett sein und so… aber wie bei allen Dingen, die man nur vom Hörensagen kennt, kann man bei diesen Erzählungen nur nicken, ja, da will man auch mal hin.

Und da waren wir dann, gestern, an einem der heißesten Abende dieses Jahres, sind auf ein Lokal mit dem Bauchgefühl-Kompass zugesteuert, weil da schon die meisten Tische besetzt waren und hier gelandet, im Ruster Hof:

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… ganz offensichtlich auch ein prominenter Drehort für eine ORF-ARD-Serie, „Der Winzerkönig“. Über uns der Himmel mit blauer Seide bespannt, im Glas der lichterleuchtende Muskateller, auf dem Teller pannonische Küche…

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„Fischpaprika“, fast wie eine Bouillabaisse, nur eben mit viel fruchtigen roten Paprika. Nur die Miesmuscheln glaube ich ihnen nicht…
… und auf den Hausdächern landen die Störche in ihren Nestern und klappern die blaue Seide an

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Das war die zweite Überraschung hier, wenn man, nur um eine Kleinigkeit zu essen, dann ein kulinarisches Glanzlicht erlebt.

Am heutigen Vormittag, längst klirren an den Flipflops wieder die Sporen, heißer Wüstenwind,… treibt uns der Podersdorfer Massen-Badetourismus und ein Hochsicherheits-Badestrand (jeder Meter Seeufer abgesperrt, Baden entweder gegen saftiges Entgelt oder eben nicht, während an allen anderen Seen zumindest kleine öffentlich zugängliche Zonen waren) wieder zurück nach Rust, wo gerade die Störche aus ihrer nahen Lagune wie die Boeings über Schwechat in ihre Nester zurück kehren (meist nur kurz, sonst würden’s in Nullkommanix zum Grillhendl werden da oben, in der sengenden Sonne)…

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… und wollen eigentlich noch einmal filmreif essen – nur hat der Wirt leider gerade Drehpause. Da erleben wir die nächste Überraschung, im nahen „Wirtshaus im Hofgassl“:

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… und auf die Teller kam dann das kulinarische Highlight (Obauer läuft außer Konkurrenz) und krönender Abschluss unserer Tour:

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Geeiste pannonische Gemüsesuppe mit Bruschetta

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Gebratener Zander mit Safranrisotto und Vanille-Paprika – etwas ganz Sensationelles, fruchtige rote Paprika geschält und „geschmolzen“, mit Vanille aromatisiert
für das Kind:

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Spanferkel, vakuum-gegart, mit Erdäpfelnockerl und Blattspinat
Für die Sonnenseite in meinem Leben:

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Kokosschaumsuppe mit Chili und Garnelen, anschließend Carpaccio
Zum Schluss als Nachtisch für uns drei:

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Tresterbrandparfait mit karamellisierten Bananen und Haselnüssen

Der erste Abend dieser Reise endete mit sonnenuntergangsfarbenem Aperol, der letzte Abend – schon wieder – mit mondleuchtendem Muskateller, die Geräusche, nämlich das Sirren der Zikaden, sind die gleichen, ein Windlicht auf dem Tisch, es ist warm… aber hier zu Hause nicht so warm, dass einem dieser unglaubliche Sommer den Schlaf raubt, so wie in den letzten Tagen.

Und so sitzen wir hier, plaudern über die vielen Dinge, die wie gesehen und erlebt haben, und sind sehr zufrieden, mit uns, und mit diesem wunderbaren Fleckchen Erde, das uns der liebe Gott vor die Haustür gestellt hat. Es wird wohl noch ein paar Tage dauern, bis diese unglaubliche Reise bis zum letzten Bissen verdaut ist, darum ist hier auch sicher noch nicht so schnell Schluss.

Wir gehen ein ganzes Stückchen reicher schlafen.

Salzburger Liebe, eisgekühlt (Tag 7)

Was kann einem nach diesem paradiesischen gestrigen Abend noch Besseres passieren? Antwort: ein Frühstück ebenda, beim lieben Gott.
Es erwartet einen am wunderschön eingedeckten Tisch ein Marillen-Beeren-Kompott, Blutorangensaft, eine feine Auswahl an Brot, Käse und Schinken, Fruchtaufstriche und ein winziges Töpfchen mit Beerenjoghurt. Doch das ist erst der Anfang. Es wird einem außerdem ein vorzüglicher Gemüsesaft kredenzt sowie eine selbst aus Malaysia importierte Schwarzteemischung. Die Empfehlung aus der Küche lautet „Wachsweiches Ei mit Butter- Steinpilzen und Basilikumcreme“, eine Komposition, die warm serviert wird. Wenn man das Ei öffnet, verbindet sich der gerade noch leicht flüssige Dotter mit den Pilzen und dem Basilikum zu einem molligen Hochgenuss. Dann wird einem ein Schälchen hingestellt mit Perlhuhnsalat, sicherlich die Keulen der gestern verzehrten Terrinen-Perlhühner, mit knackigem Lauch, einer ganz leicht mayonnaisigen Sauce, Kräutern und Tomaten.

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Wie kann man bitte besser in den Tag starten????

So waren wir gut gestärkt für das erste heutige Ausflugsziel, nämlich die Eisriesenwelt, die größte Eishöhle der Welt. Da es den Ablauf der geführten Touren massiv beeinträchtigen würde, ist das Fotografieren in der Höhle nicht gestattet. Beim Klick auf den Link bekommt man die Bilder – nebst vielen Hintergrundinformationen – noch schöner, als man sie in einer relativ großen Gruppe selbst machen könnte. Es erwartet einen eine zwar anstrengende (insgesamt gut vierzig Minuten Fußweg bis zum Höhleneingang, nicht gerade eben, sondern recht steil, fast zwei Kilometer Wegstrecke in der Höhle, inklusive weit über 1000 Stufen, und das Ganze wieder runter), aber märchenhaft schöne Traumwelt aus Eis. Draußen bereits am frühen Vormittag eine Gluthitze, drinnen Temperaturen um den Gefrierpunkt, das hält den Kreislauf ganz schön auf Trab.

Mit gaaaaaaaaanz viel Bedauern, dass wir die wunderschöne Strecke leider leider nicht im offenen Auto genießen konnten, ging es anschließend über den Paß Lueg, streckenweise die Lammer entlang (Fotos werden nachgereicht), hinter dem Dachstein vorbei, über Gosau nach Hallstatt. Wenn’s das so nicht schon gäbe, dann müsste man es glatt erfinden. Weltkulturerbe, wunderschöne kleine alte Stein-Holz-Häuser, schon fast übertrieben kitschige Lage am smaragdgrünen Hallstättersee, magischer Anziehungspunkt für – vor allem – asiatische Touristen. So magisch, dass Hallstatt sogar irgendwo in China originalgetreu nachgebaut wurde.

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Der Tag klang aus in Fuschl am See, wo es in einem der zahlreichen Restaurants nicht nur wunderbare regionale Fische gab…

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… sondern auch das Salzburger Nationaldessert. Und was es damit auf sich hat, erklärt am besten ein Lied von Peter Alexander aus einem alten Kitschfilm aus den 60er-Jahren.

Salzburger Nockerln, Salzburger Nockerln
süss wie die Liebe und zart wie ein Kuss
Salzburger Nockerln, Salzburger Nockerln
sind wie ein himmlischer Gruss

Und wird mal beim Hergott mal ein Fest arrangiert
ja was glauben sie, wird da als Nachspeis‘ serviert, na
Salzburger Nockerln, Salzburger Nockerln
werden als Nachspeis serviert

Der Cäsar, der hat die Cleopatra
so ferchterlich gerne gemocht
die hat ja schon damals in A-Afrika
in Salzburger Nockerln gekocht

Die Potifar hat sie dem Josef gebracht
die Pompadour hat sie dem Ludwig gemacht
und der Liebestrank wird auch noch jetzt
durch Salzburger Nockerln ersetzt

Darum ess ma jetzt alle
Salzburger Nockerln, Salzburger Nockerln
süss wie die Liebe und zart wie ein Kuss
Salzburger Nockerln, Salzburger Nockerln
sind wie ein himmlischer Gruss

Im Grunde sind sie der wahrgewordene Traum für alle, die immer schon gerne aus der Teigschüssel genascht haben, wenn Biskuit gebacken wurde. Fluffig gebackener, innen noch cremiger, duftender, warmer Biskuitteig.

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Wo der liebe Gott wohnt… (Tag 6)

Auch wenn dieser Tag viel Unbill gebracht hat, gilt doch das schöne Sprichwort, dass man selbigen nicht vor dem dazugehörenden Abend loben – oder in unserem Fall ausschimpfen – soll. Dieses Loblied auf den Abend kam nicht wirklich unerwartet als Wiedergutmachung für viel Ärger, sondern war wohl kalkuliert, eiskalt berechnet sozusagen. Aber ist es schlimm, wenn man bei bestimmten Dingen im Leben schon vorher ganz genau weiß, was einen erwartet? Und ist es schlimm, wenn man inmitten dieser Unannehmlichkeiten schon vorher weiß, dass man in wenigen Stunden ein riesengroßes rosarotes Heile-heile-Segen-Trostpflaster auf’s aufgeschlagene Gemüt geklebt bekommt? (Natürlich wär’s uns noch lieber gewesen, uns dieses „Alles gut und das Leben ist einfach nur himmlisch“-Pflaster ohne Autopannenscherereien in’s Reisetagebuch zu picken)

So fiel die Beantwortung einer ganz bestimmten Frage nicht schwer, es ging uns sozusagen wie bei der Millionenshow, wo der Kandidat eine Millionenfrage genau über das Thema bekommt, wo er vorher noch ein dickes Buch dazu gelesen hat. Der jubelt auch, wenn die Goldkonfetti auf ihn niederregnen. Gut, der Vergleich hatscht ein bissl, schließlich weiß der Kandidat die Frage und die Antwort erst, wenn er schon die längste Zeit auf dem Stuhl hockt. Wir wussten es in dem Moment, als wir die virtuelle Stecknadel in die reale Österreichkarte gepinnt haben. Im März.

Achso, ja, die Frage:

„Wo wohnt der liebe Gott?“

Es kann nur eine Antwort geben: in Werfen, im schönen Salzburg. Warum gerade da? Gibt’s nicht noch viele andere, mindestens gleich schöne Orte in Österreich? Ja, mag sein. Aber denen fehlt samt und sonders etwas Entscheidendes. Die haben nämlich keine Obauers. Und drum wohnt der liebe Gott ganz eindeutig hier, und nirgendwo sonst.

Wer schon mal hier war, wird jetzt seufzend die Augen schließen und sich denken: „Ooooooh, jaaaaa!!!!“ Allen Heiden sei erklärt: die Brüder Obauer sind seit gut zwanzig (!) Jahren ein kulinarischer Fixstern am europäischen Kulinarik-Himmel. Schon ziemlich gleich lang sind die Brüder ohne Unterbrechung (!) mit vier Gault-Millau-Hauben ausgezeichnet, eine Konstanz, die hierzulande fast niemand schafft. Aber wir sind ja nicht hier, um Hauben zu essen, sondern um uns mit Messer und Gabel in die fünftnächste Dimension zu beamen – und, jajajaja, nicht ungeduldig werden, ich komm ja schon zur Sache 🙂

Aperitif
Fotolos ausgesoffen. Rote Ribisel, mit Sagoperlen und Minze als Bowle eingelegt, ein Löffelchen davon mit Cremant Rosé aufgegossen.
Als kleiner Appetizer dazu:

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I. UZS: Gebackener Steinbutt auf Kernöl-Mayonnaise, am Löffel Marillen-Sauerrahm-Creme, darüber eine Lammsulz und Apfel-Chili-Gelée
Ich hab keine Ahnung, wie man so viel Geschmack in so einen kleinen Würfel Sulz bekommt.

Die Menüwahl fiel uns nicht schwer.

Amuse Gueule
Jeder bekam etwas anderes. Und wer fototechnisch zu spät kommt, der hat nachher keines.

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Kalbstartare; ohne Foto: Kohlrabi-Blätter mit Nuss-Pesto, Radieschen-Schaumsüppchen
Man lasse zukünftig lieber die Radieschen beim Marktstandl und nehme nur die Blätter mit, sollen die Kaninchen was anderes fressen, die Blätter bekommen sie nicht mehr. Das Süppchen kam übrigens gut gekühlt, in einer gaaaaaaanz leicht angedickten Form, fast ein bisschen so, wie Vanillemilch, natürlich ohne Vanille, Grün-Milch sozusagen, herrlich erfrischend. Das Nuss-Pesto…. kann eigentlich keine große Hexerei sein… man müsst‘ halt nur auf den Trick dahinter kommen. Der Honig? Oder doch einfach das Zusammenspiel mit den leicht pfeffrigen Kohlrabi? Auf einem kleinen Löffelchen der Geschmack von fünf Kilo Nüssen. Die Eichhörnchen gehen zukünftig auch leer aus.

Vorspeise

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Terrine vom Perlhuhn und Gänseleber, mit Fenchel und Apfel-Staudensellerie-„Kompott“
Gänseleber hat leider einen ganz schlechten Ruf. Aber ich gehe mal fix davon aus, dass das hier ganz sicher keine – zu Recht verbotene – Stopfleber ist. Gänse werden nun mal, wie viele andere Tiere auch, gegessen, und Gänse haben Lebern. Warum also wegwerfen? Als „Zwischendecke“ ist knackig gegarter Fenchel eingezogen, das ganze nicht süßlich, wie bei Leber sonst oft üblich, sondern durch die Apfelwürfel, Granatapfelsaft und frische Kräuter (Steinklee und Fenchelblüten) knackig säuerlich mariniert. So erlebt man zuerst die einfach nur sündhaft-mollige Cremigkeit der Leberterrine und dann dazu das Anis-Aroma des sommerlichen Fenchel und zum Drüberstreuen das Granatapfel-Aroma, während sich das Perlhuhn zwischendrin ganz zart zurückhält und sozusagen eine Bühne bildet für die sommerliche Geschmackswelt der anderen Zutaten.

1. Hauptgang

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Zander mit Radieschennudeln
Ein Glasschiffchen ankert am Tisch. Wunderbarer Duft schlägt einem entgegen, von dottergelben Eiernudeln, dazwischen kurz und knackig gegarte Radieschen-Stiftchen (wir revidieren, die Kaninchen kriegen auch die Radieschen NICHT. Und werden sie zukünftig nicht mehr nur in Blattsalat versenken) – alles in einer wiesengrünen, säuerlich-frischen Estragonsauce. Und auf all dem thronen zwei dicke Tranchen Zander, offensichtlich vakuumgegart, unbeschreiblich zart und saftig entwickelt der Fisch im Mund Geschmacksnuancen, die man so noch nicht kannte. Als nur noch ein „Noagerl“ im Teller ist, überlegen wir, ob wir durch gezielten Wurf des Salzsteuers in Richtung Weingläser einen Tumult verursachen sollen, um ungestört die Teller abschlecken zu können. Aber wir bleiben natürlich zivilisiert 🙂

Dazu übrigens ein Sauvignon blanc vom Grassnitzberg.

2. Hauptgang

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Rosa Beiried und geschmorte Wade vom Jungrind, mit Wacholder und Kohlrabi-Gemüse
Jetzt wäre wirklich fast etwas in Richtung Weingläser geflogen, um ungestört die Teller abzuschlecken oder unsere Eltern hätten sich in Abwesenheit für laute Schmatzgeräusche geschämt – und das anwesende eigene Kind wär gleich noch ordentlich verzogen worden. Für dieses Gericht gab es nur ein Wort: einfach UNGLAUBLICH. Ein butterzartes Beiriedstückerl, mollig-sahnig-dillige Kohlrabi, die fortan zum König der Gemüse ernannt werden. Und dann die geschmorte Rinderwade im Wacholdersafterl… wie kann man die beschreiben… gar nicht. Dafür gibt es keine Worte. Das Fleisch so zart, dass man es mit dem Kaffeelöffel essen hätt‘ können, das Wacholdersafterl dicht, facettenreich, würzig, sensationell, UNGLAUBLICH eben.

Den Wein habe ich mir ob dieser paradiesischen Opulenz nicht gemerkt, es war irgendwas wunderschönes Rotes aus dem Burgenland, das natürlich – wie könnte es anders sein, wenn im perfekt eingespielten Team auch ein Klasse-Sommelier ist – grandios gepasst hat.

Ermattet lässt man sich in den Sessel sinken und denkt, dass es gar nicht mehr menschenmöglich sein kann, diesen Gang noch zu toppen. Aber dann…

DAS Dessert

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Buttermilch-Schlüsselblumenhonig-Mus mit Nusskeks, Rhabarber und Sauerampfer-Eis

Wo fang‘ ich bloß an… das herrlich erfrischende, fluffige, ganz leicht honigsüße Mus, dazu ein mürb-knuspriger, intensiv nussiger, dünner Keks, säuerliches Rhabarberkompott, aber die Krönung des Ganzen war das Eis. Ein Löffelchen schmilzt sofort im Mund und explodiert genau da und plötzlich ziehen im Zeitraffer all die saftig-grünen Wiesen vor dem geistigen Auge vorbei, und man spürt den frischen Almwind von Galtür und den Geruch von frischem Gras, der einem irgendwo auf der Fahrt in die Nase gestiegen ist. Und es ergibt sich mit dem buttermilchigen Mus und den gelben Schlüsselblumen ein Bild, ein Gesamtkunstwerk.

Die Kühe müssen sich zusammen mit den Kaninchen und den Eichhörnchen zukünftig auch was anderes zum Fressen suchen. Sauerampfer wird requiriert.

Die kleinen Naschereien, die noch dazu gestellt wurden, Mandelbögen, kleine Marshmellows, ein Himbeer-Haferflockenwürfel,ein kleines cremiges Würfelchen und Beerengelee, gehen da fast unter.

Man geht ganz langsam ins Zimmer zurück, als könnte man damit noch ein kleines Stückchen länger an diesem Abend festhalten und kippt da müde, satt und sehr zufrieden mit dem Wissen in’s Bett, dass man hier dem Himmel ein kleines Stückchen näher ist, als sonstwo, denn hier muss er wohnen, auf jeden Fall essen – oder vielleicht kochen, der liebe Gott.

Was macht ein Österreicher…

… wenn er unter der Zeit so ein bissl Hunger kriegt?

Auf nix Großes, schließlich steht ja sicher in absehbarer, aber im Moment zu entfernter Zeit das nächste „richtige“ Essen auf dem Plan. Es sollte also was Kleines sein, aber grad groß genug, um sich über diese Zeitspanne zu retten. Möglicherweise oder sehr wahrscheinlich befindet sich die eigene Vorratshaltung auch grad außerhalb einer unmittelbar überwindbaren Distanz, die das kleine Hungerproblem durch einen beherzten Griff in den Kühlschrank lösen könnte.

Man hat also Hunger, man ist unterwegs, führt üblicherweise weder Porzellan noch Besteck mit sich und braucht schnell was Gutes, Praktisches.

Zu diesem Zweck hat der Österreicher die Wurstsemmel (um ihre Deftigkeit zu unterstreichen, gerne liebevoll auch Wurschtsemmel genannt – überhaupt ist das Wort „Wurscht“ aus dem österreichischen Wortschatz nicht wegzudenken) erfunden. Vielleicht war’s auch jemand anderes als die Österreicher, in dem Fall tritt aber automatisch die Prämisse „Die Österreicher waren’s“ in Kraft (da gibt es andere Gelegenheiten, wo wir gerne auf diese Prämisse pfeifen).

Was braucht es also für so eine richtige Wurstsemmel?

Als erstes natürlich einmal eine Semmel. Übrigens, wenn man als (deutscher) Tourist in Österreich gerne so lange wie möglich unerkannt bleiben will, muss man sich dieses Wort ganz oben in’s Vokabelheft schreiben. Bei „Brötchen“ fliegt man sofort als Nicht-Österreicher auf, im besten Fall kriegt man sowas wie ein Sandwich hingestellt.

Eine Semmel also. Nachdem im klassischen Klischee über den typischen Österreicher aber das Wort „unkompliziert“ nicht vorkommt, ist es mit dem schlichten Wunsch nach einer Semmel noch nicht getan. „A lange oder a runde…?“ wird man oft von der Verkaufsperson hinter der Budel gefragt? Ja welche nun? Immer diese Entscheidungen… Wie beim „Twinni“ und den „Schwedenbomben“…

Ich könnte schwören, dass die runden Semmeln besser schmecken. Sie lächeln einen schon so freundlich an, erinnern mit ihren Wirbel-Flügerln irgendwie an die bunten, fröhlichen Plastik-Windradln unserer Kindheit. Die langen Semmeln sind durch ihre eingebaute Sollbruchstelle ideal zu teilen. Aber wer will das schon? Man kann auch Kleinkinder gut dran herumkauen lassen und die aufgeweichte Semmel anschließend als Dichtungsmasse im Brunnenbau verwenden.

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Die Semmel muss unbedingt frisch und knusprig sein. Nix ist schlimmer als eine „letscherte“ Semmel. Letschert ist in Österreich einer dieser Universalbegriffe, die fast immer passen. Lebensmittel können letschert sein, Personen, Vegetation, Geschmack. Und es ist schwer, diesen Begriff zu übersetzen. Bleiben wir bei den Semmeln, da bedeutet letschert einfach das Gegenteil von knusprig. Dank der Backöfen in den Supermärkten, die alle zwanzig Minuten frische Semmeln ausspucken, ist die gefürchtete Nachmittags-Letschertheit kaum mehr wo anzutreffen (also zumindest nicht bei Semmeln).

Man nehme also eine Semmel, die den o.g. Voraussetzungen entspricht und schneide sie einmal rund um den Äquator durch. Jetzt kommt die Wurst in’s Spiel. Und wer jetzt gedacht hat, die Wurscht wär‘ wurscht, täuscht sich gewaltig. Schinkenwurst, Jausenwurst, Polnische, Salami. Alles wurstsemmelmäßig zu vergessen. Die einzig wahre Wurst für eine Wurstsemmel ist die Extrawurst. Punkt.

Extrawurst ist eine österreichische Brühwurstsorte. Sie wird aus Rind- und Schweinefleisch unter Beigabe von Speck, Knoblauch und Gewürzen hergestellt. Die Wurstsorte gibt es mindestens seit Beginn des 19. Jahrhunderts und wurde in der Rezeptur fortwährend verändert. Sowohl historisch als auch regional gibt es Unterschiede in dem Verhältnis der Zutaten, der Beschaffenheit, der Würzung und der Zubereitung. (behauptet Wikipedia)

Gut 40-50 Gramm, feinblättrig aufgeschnitten gehören in eine Semmel. Alles darunter ist knausrig, alles darüber ist übertrieben, es heißt ja Wurstsemmel, nicht Semmelwurst. Und dann wär da noch das optionale Gurkerl. Für das ultimative Geschmackserlebnis und Mundgefühl müssen ein paar Scheiben von einem großen Essiggurkerl unbedingt in’s Semmerl.

Der entscheidende geschmacksgebende Moment ist jedoch der, wenn die Verkäuferin die fertig gerichtete Semmel in ein Blatt Wurstpapier einschlägt und gar noch in ein Papiersackerl steckt. Da verändern sich wohl irgendwelche Moleküle oder Eiweißverbindungen oder sonst ein Zusammenhang zwischen Semmel, Wurst und Gurkerl, der eine Wurstsemmel erst zu dem Hochgenuss machen, der sie bei richtiger Zubereitung und artgerechtem Verzehr ist. In diesem Zustand kann das Semmerl auch noch ein kurzes Weilchen, aber nicht zu lang (!), sonst tritt die gefürchtete Letschertheit ein. Zum Vergleich mit einem Supermarkt/Fleischhauer-Semmerl könnte man frische Semmeln kaufen, die adäquate Menge Extrawurst und ein Glas Gurken und sich die ganze G’schicht‘ auch daheim zusammenrichten. Zu allem Übel wird die arme Semmel vielleicht noch erbarmungslos auf einen Teller gesetzt?????!!!!!! Kein Vergleich. Und außerdem ein regelrechtes Sakrileg. Daheim, gar auf einem Teller, zusammenrichten kann man ein Käsebrot, oder zum Frühstück eine Marmeladesemmel.

Um Gottes willen…. nein, der Moment des Wurstsemmelverzehrs gehört zelebriert: als erstes gehört das Papiersackerl in der Manier aufgerissen, wie dreijährige Kinder das Weihnachtspackerl, wenn keine Oma in der Nähe ist, die unbedingt „das gute Papier noch aufheben“ will. RATSCH!!! Einmal quer durch. Explosionsartig breitet sich ein Wohlgeruch aus, eine Mischung aus Papier und paradiesischem Wurstsemmelaroma, das bereits zart durch das Pergamentpapier nach außen dringt. Nun kommt die zweite Schicht, das Pergament. Das öffnet man so, wie man ein Päckchen öffnet, in dem man ein ganz wertvolles Schmuckstück oder etwas sehr Zerbrechliches vermutet. Bei dieser Schicht wird nicht ge-RATSCH-t, sondern vorsichtig freigelegt. Jetzt ist die ganze Umgebung erfüllt von wunderbarstem Wurstsemmelduft, vor einem liegt das Wunderding, lächelt einen fröhlich an und ruft „Iss‘ mich!“

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Wer bis jetzt alle Regeln befolgt hat, wird nun belohnt: mit einem herzhaften Biss durch knusprige Semmelkruste, weiches Semmel-Innenleben, knackiges Gurkerl, schmelzend-weiche Extrawurst und wieder zurück durch die Semmel – so lange, bis alles bis auf den letzten Brösel verputzt ist. Und wer an diesem Punkt angelangt ist, weiß, dass teilbare lange Semmeln die unsinnigste Erfindung seit der Erfindung der Gelsen sind. Naja, fast.

Sonnencreme, Berge und die Sponsoren (Tag 5)

Irgendwie sind wir sowieso sowas von brav und anständig, und darum haben wir uns dieses grenzgeniale Wetter verdient – als wär’s eine Entschädigung für Waschlwetter in Schottland voriges Jahr und Islandtief vor zwei Jahren. Aber (nicht nur) heute früh haben sich die selbstgestrickten Mützen bewährt, denn um halb neun morgens ist es auf knapp 2.000 Metern Seehöhe knackig frisch um die Ohren.

Wenn man nämlich in Galtür keine Lust hat, wieder umzudrehen – und wieso sollte man auch – fährt man einfach weiter gerade aus und befindet sich mittendrin in einer weiteren wunderschönen Gebirgslandschaft, der Silvretta, auf einer Höhenstraße, die den Vergleich mit dem Glockner kaum zu scheuen braucht.

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Unmittelbar vor dem Pass überquert man nicht nur die Grenze von Tirol nach Vorarlberg, hier liegt außerdem der Silvretta-Stausee vor einem atemberaubenden Panorama. Der türkisblaue, völlig wolkenlose Himmel spiegelt sich im jadegrünen Wasser, das glatt wie ein Bügelbrett daliegen würde, höchstens mit ein paar davonhuschenden Kreisen rund um die Angelruten einiger Fischer, wenn nicht drei Vierer-Ruderer durch’s Wasser gleiten würden. Eine englische Rudermannschaft trainiert hier, neugierig beäugt von sandbraunen Kühen mit beneidenswert langen Wimpern.

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Ebensolche Rindviecher schieben außerdem weiter oben mitten auf der Straße Wache und kontrollieren die Mautkarten.

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Die hier sind übrigens nur auf der Rückseite lila bemalt, das kommt davon, wenn man einen Sponsorvertrag zum halben Preis unterschreibt. Da haben die Sonnencreme-Leute gleich mehr Geld in die Hand genommen und einen g’scheiten Berg hingestellt. Nur leider halten die Schneefelder im „Piz Buin“- Schriftzug bei der Hitz‘ nicht und verrinnen bis zur Unleserlichkeit. Die Sonnencreme kommt hier oben an ihre Belastungsgrenze, trotz Faktor 50 fängt der Nacken an zu brennen.

Nach ein paar beachtlichen HaarnadelSpiralnudel-Kurven talwärts liegt ein zweiter, kleinerer Stausee, der Vermunt-Stausee.

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Da sich von hier aus viele wunderschöne Wanderwege die Hänge zwischen Latschenkiefern hinaufschlängeln, wälzt sich schon um zehn Uhr vormittags eine Autokolonne aus dem Tal herauf, wie zur Rush-Hour auf der Grazer Nordeinfahrt.

Die Talfahrt ist nur etwas für Schwindelfreie und nichts für Autos mit maroden Bremsen oder angeknacksten Getrieben.

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Die Fahrt durch das Montafon und an Bludenz, Feldkirch und Dornbirn vorbei haben wir relativ zügig und ohne weitere Zwischenstopps hinter uns gebracht, um schneller an unser westlichstes Ziel zu gelangen, Bregenz und den Bodensee.

Nach einer kulinarischen Offenbarung im Restaurant am Strandbad…

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Titel der Kreation: „Frischer Sommersalat“. Man beachte die Karotten, Mais und Birnen (???) – alles gaaaaaanz frisch (aus der Dose halt, oder stand da was von Garten??? Na eben…). Ging übrigens genau so, wie er gekommen ist, zurück in die Küche. Auf Nimmerwiedersehen.

… nach diesem Erlebnis bestiegen wir ein Ausflugsschiff für eine zweistündige Rundreise auf dem See. Beim Betreten haben wir den Altersdurchschnitt um einige Prozent gesenkt, denn auf dem Schiff fand ein Betriebsausflug der Rollator-Formel1 statt, Hans-Albers-Verschnitt mit Akkordeon und Caterina-Valente-Lookalike plus üppigst gefülltes Tortenbuffett inklusive.

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Am obersten Deck waren wir vor Hans und Caterina relativ sicher. Und hätten nicht Brian, Robin und Cindy das ganze Oberdeck zwangsbeschallt, wär’s durchaus gemütlich gewesen. Als der Eiskaffe nach einer halben Stunde immer noch nicht serviert wurde, wollte ich schon nachsehen, ob die Strandbad-Tanten vielleicht kurzfristig den Arbeitgeber gewechselt haben, aber vermutlich ist der einfach Caterina zum Opfer gefallen.

Ich hätte mich heute eher erschießen lassen, als bei 30 Grad Vorarlberger Kässpätzle zu essen, aber zum Glück gibt es hier ja noch etwas anderes, was als echte Bodensee-Spezialität gilt, nämlich Felchen:

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Auch wenn ich nicht unbedingt versucht war, den Koch auf Knien um das Rezept anzubetteln, war’s ganz OK.
Die Innenstadt haben wir dann im Auto sitzend durchquert, denn auch wenn wir unsere Füße im bacherlwarmen See erfrischt haben, auf Herumhatschen hatten wir heute keine Lust mehr. Insgesamt war’s ein schöner Sommertag an einem netten See. Aber so rechte lockere Stimmung und Begeisterung wie am Wörthersee oder in Innsbruck will sich hier nicht wirklich einstellen.

Prolog

Morgen also. Morgen geht es los. Urlaub. Endlich!!!!!

In den letzten Wochen hat sich eine lustige Situation immer wiederholt. Egal, wem ich von unseren Reiseplänen erzählt habe, immer war die Reaktion die gleiche: „Jöööö, Österreich!!! Super Idee, das will ich auch einmal machen!“ Dann folgte fast immer: „Aber da müsst Ihr uuuuunbedingt nach …. fahren und dort zum … gehen, das ist total schööön!“. Das Fazit lautet also: einzelne Punkte kennt jeder. Aber alles, einmal rundherum, das hat noch niemand im Bekanntenkreis gemacht.

Das zweite, was jeden in ungläubiges Erstaunen versetzt hat, war die strenge, mengenmäßige Reglementierung. Ein alter Porsche ist nun mal kein Kombi. Wenn man die über 2000km nicht mit einem Haufen Zeugs auf dem Schoß verbringen will, bleibt als Alternative nur die Einschränkung auf das Wesentliche, vor allem, wenn Malsachen und die Fotoausrüstung auch noch mit sollen. Aber so wie es aussieht, geht sich alles aus.

So. Morgen also.

Und wie stimmt man sich kulinarisch am besten auf einen Österreich-Urlaub ein?

(C) Andrea
(C) Andrea

Mit dem österreichischen Nationalgericht, dem Wiener Schnitzel. Im Original aus dünnen Kalbsschnitzeln, die erst in Mehl gewälzt, dann durch verquirltes Ei gezogen und zum Schluss in Semmelbröseln wohlig eingepackt, um hernach in der tiefen Pfanne in Schweine- oder Butterschmalz goldig-knusprig herausgebacken zu werden. Im günstigeren Preissegment, so wie bei unserem Lieblings-Haus-und-Hofwirt, bestehen die Schnitzerln aus Schweinefleisch, was aber, wenn man dabei ebenfalls auf Qualität achtet, gar nicht unbedingt ein Nachteil ist. Wesentlich mehr, als über die Frage „Kalb oder Schwein?“ scheiden sich die Geister über die Beilagen. Pommes? Ist nicht österreichisch – und ein Schnitzel kein Burger. Erbsenreis? Der hat in der typischen österreichischen Küche so gar nichts mit der vollmundigen Cremigkeit eines Risotto gemeinsam, sondern ist eher – naja, nennen wir’s beim Namen – eine ziemlich staubtrockene Angelegenheit. Zu trocken zu ebenfalls trockenen, weil saucenlosen Schnitzerl. Nein, die einzig wahre Beilage zum Schnitzerl (übrigens steht „Schnitzel“ in Österreich zweifelsfrei und völlig logisch exklusiv für das WIENER Schnitzel. Man müsste es schon eher dazu sagen, wenn es sich einmal NICHT um ein Wiener Schnitzel handelt) – also die einzig wahre Beilage ist der Erdäpfelsalat. Feinblättrig geschnittene speckige (= festkochende) Erdäpfel werden mit gehackten Zwiebeln, ein bissl Suppe – und in der Steiermark mit Kürbiskernöl und einem kräftigen Mostessig abgemacht, bloß nicht mit Mayonnaise und südlich des Semmering bloß nicht mit Zucker, sondern schön salzig abgeschmeckt. Wer die Zeit nicht hat für so einen Salat, soll es bleiben lassen – und um Gottes willen nicht zum Dosen- oder Kübelsalat greifen. Der mayo-freie Erdäpfelsalat wartet auch mal gern ein Stündchen auf seinen Verzehr, aber die Verzehrer sollen nicht auf den Salat warten. Der hat’s gern gemütlich und will ein bissl duchziehen, was das Geschmackserlebnis entscheidend verbessert.

Und der ultimative Trick ist der, dass man die knusprige Panade nicht nur mit der obligaten Zitronenscheibe beträufelt, sondern das abgeschnittene Schnitzelstück kurz in den Edäpfelsalat tunkt und sofort isst. Die Panade soll nicht aufweichen, sondern nur durch die Zitrone oder eben den Essig einen Hauch Säure aufnehmen.

In jedem anständigen Gasthaus wird einem ganz selbstverständlich ein Stückl Alufolie oder Pergamentpapier gereicht, wenn die umsichtige Servierperson beim Abräumen größere Schnitzelreste auf den Tellern wahrnimmt. Denn ein Wienerschnitzerl ist auch kalt eine feine Jause – wenn es überhaupt so weit kommt.

Wörterbuch: Erdäpfel – beim Aussprechen wird das „d“ mit den Äpfeln zusammengezogen, also „Er-däpfel“ = Kartoffel

Graz – Der Kaiser-Josef-Platz

Mitten in Graz, gegenüber vom Opernhaus, liegt einer meiner absoluten Lieblingsplätze und perfekter Ausgangspunkt für einen perfekten Samstag in meiner so herrlich in ihrer Perfektion nicht perfekten Heimatstadt.
Ich bin mit Leidenschaft und Hingabe Grazerin, ich liebe das Provinzielle, das manchmal recht Mutige, das immer ein wenig „sich zurück gesetzt“-Fühlende, das Kleinteilige und noch sooooo vieles mehr an dieser Stadt. So viele Facetten gibt es hier zu zeigen…

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Der Kaiser-Josef-Platz also. Benannt, no na, nach Kaiser Joseph II., der hier nicht nur sein „ph“ gegen ein stinknormales „f“, sondern auch seinen dicken, schweren, geschichtlichen Rucksack (bei so viel Schwermut in einem Leben wird’s ihm recht sein, wenn ich hier nicht näher darauf eingehe, ist ja kein Historien-Blog, ich nehm‘ mir die Freiheit, die Geschichte nur dann zu streifen, wenn sie mir in den Kram passt) eingetauscht hat gegen blumige Frische, Salat, Gemüse, Obst und was sich sonst noch alles aus den Erträgen steirischer Erde herstellen lässt – einschließlich der Tiere, die damit gefüttert wurden. Denn das ist einer der ganz großen Unterschiede der diversen Grazer Märkte im Vergleich zu den Märkten in anderen Städten: der mit Abstand größte Teil der bäuerlichen Anbieter kommt aus dem direkten Umland. Man kauft hier folglich nicht nur regional im allerbesten Sinn, sondern auch absolut saisonal und in den meisten Fällen immer schon vollbiologisch.

Immer wieder aufflackernde Pläne, den „Event-Charakter“ (schon allein das denglische Wort passt so gar nicht zu den Kittelschürzen der vielfach älteren Standlerinnen) dieses Platzes noch mehr zu „pushen“, alles Mögliche umzubauen oder umzugestalten, wird vom Stammpublikum unisono heftigst abgelehnt. Der Stammkäufer steht auf die zusammengestapelten Holzbudeln, will keine modernen Standln (das ist schon am Grazer Hauptplatz daneben gegangen), findet in den Reihen blind seine „Stamm-Standler“, denen in manchen Fällen über Generationen hinweg die Treue gehalten wird und wär verloren in dem hereinbrechenden Chaos, wenn dieses Mosaik aus Salat, Ziegenkäse, Forellen und Erdäpfeln plötzlich neu durchsortiert werden würde. Dass an den Rändern, sozusagen im Bilderrahmen, mittlerweile einige nette Stehcafés und Bars kulinarische Erfrischungen reichen, ist Event genug und gibt die Gelegenheit, das bunte Treiben aus entspannter Distanz zu betrachten und trotzdem mitten drin zu sein.

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Mittendrin: junge Mütter mit Kinderwägen, verschlafene Studenten, immer wieder auch Touristen, Pensionisten, manchmal Zeichner mit Skizzenblock, Bettler,  entspannte Wochenendgenießer, Hofratsgattinnen im Kaschmirtwinset und mit etwas zu viel korallfarbenem Lippenstift, der Herr Hofrat zwei Schritte hinter ihr, entweder im Gespräch mit einem anderen Herrn Hofrat oder geduldig auf das nächste Bündel Traglast wartend. Überhaupt fällt auf, dass sich hier viele Männer im Hintergrund halten, so wie der Meinige, und eher als „Packesel“ im allerliebst gemeinten Wortsinn herhalten, manche geduldig-milde, manche kopfschüttelnd lächelnd über die Einkaufswut der holden Weiblichkeit. Aber wie soll man da auch widerstehen????

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Ich könnte stundenlang hier herumstreifen, mich durch den Anblick und den Geruch duftender Kräuter, frischer Weizer Forellen und knackigen Gemüses zu allerhand Kochideen inspirieren lassen, Leute beobachten und einfach die Seele baumeln lassen. Wenn mich Herzmann und Herzkind nicht begleiten (die beiden versuchen dieser Geschäftigkeit gerne zu entkommen), hat mir mein Einkaufstrolley schon sehr oft gute Dienste geleistet, um ganze Wagenladungen zum Auto und nach Hause zu schaffen. Das die „Hände-über’m-Kopf-zusammenschlagen“ ist dann auf den Moment des Heimkommens verschoben.

Der Graz-Bummel muss damit noch nicht zu Ende sein. Eine wohlweislich in’s Auto gepackte Kühltasche kann den Ausflug entscheidend verlängern und Zeit verschaffen für weitere Unternehmungen…

Die Stainzer Gegend, Weststeiermark

Nich nur große Reisen sind erlebenswert, das kleine feine Land direkt vor der Haustüre lässt sich ja auch tageweise erleben, entdecken, erobern. Und am besten fängt man gleich damit an.

Sommersonne küsst meine Pfingstrosen wach, das hohe Gras ist nass vom nächtlichen Regen, aus den Wiesen und aus dem Wald steigt Dampf auf. Tatsächlich hat mein lieber geschätzter Mal-Mentor recht gehabt, als er vor zwei Wochen, mitten im ärgsten Adria-Tief prophezeit hat: „Wirst sehen, am Samstag ist es schön!“. Verrückt. Aber er hatte recht. Also stand unsere Malausflug nichts mehr im Wege.

St. Stefan ob Stainz

Die Weststeiermark bezaubert durch eine sanfthügelige Landschaft, mit viel Grün, Weingärten und schönen alten Holzhäusern. Nicht nur die südliche Steiermark, auch der Westen hält jedenfalls Vergleichen mit der Toskana stand, nur halt eben steirisch.***

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Der Tag begann auf der sonnigen Terrasse der Buschenschank Lazarus. Vielleicht sei hier kurz erklärt, was ein Buschenschank ist. In einem Buschenschank dürfen Landwirte Erzeugnisse aus eigener Produktion ausschenken oder servieren, das sind in der Regel Getränke, Mehlspeisen und kalte Speisen. Wie auf dieser Seite erklärt ist, geht dies auf eine Verordnung von Kaiser Joseph II. im 18. Jhdt. zurück. Obwohl dies nicht explizit vorausgesetzt wird, wird zumindest in der Steiermark fast automatisch davon ausgegangen, dass ein Buschenschank zu einem anständigen Weingut gehört oder andersherum: dass man in einem Buschenschank „an g’scheiten Wein“ bekommt. Und dazu isst man dann eine Brettljause, wo man vor lauter Jause das Brettl nicht mehr sieht. Üblicherweise sind die Portionen so dimensioniert, dass man mit der Bestellung für vier Personen einen mittleren Reisebus ausspeisen kann.

Doch dazu später noch einmal. Unter bestimmten Voraussetzungen darf ein Buschenschank auch Kaffee anbieten, was sich als Einstieg morgens dann eher eignet. Am Mohn-Topfenkuchen konnte ich nicht vorbeigehen:

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Tut das gut, endlich wieder Wärme und Sonne, dazu Grillengezirpe und der Duft von frischem Heu! Wir sitzen mittendrin, auf den Tischen und Bänken, direkt in der Wiese und malen drauflos.

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Und jetzt kommen wir zur Auflösung der drei Sternchen weiter oben. Wodurch kann man zweifelsfrei die steirische Weingegend von jeder anderen unterscheiden?

Durch das Klapotetz:

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Und was ist das schon wieder? Das Wort stammt, wie viele andere steirische Ausdrücke, aus dem Slowenischen. Es ist ein großes Windrad, das durch lautstarkes Geklapper die Vögel aus den Weingärten vertreiben soll. Was zum Malen in der Toskana die Zypressen sind, ist in der Süd- und Weststeiermark das Klapotetz.

Bliebe noch die ganz wesentliche Frage zu klären, von welcher Sorte Weinstöcke hier die Vögel wohl zu vertreiben sind. Wem österreichische Weine ein bisschen was sagen, ahnt es vielleicht, anderen sind möglicherweise schon Schauergeschichten darüber zu Ohren gekommen. Es handelt sich um den sagenumwobenen Schilcher, wobei dieser Name eine geschützte Bezeichnung für Roséweine der Rebsorte Blauer Wildbacher sind, die ausschließlich aus der Steiermark kommen dürfen. Wer bei Rosé an ein liebliches Mädchengetränk denkt, wird sehr schnell sein roségoldenes Wunder erleben. War der Schilcher, auch bezeichnet als Rabiatperle, früher im Verdacht, andernorts als „Agent Orange“ zu zweifelhafter Bekanntheit gelangt zu sein, wird er mittlerweile knackig-fruchtig und wesentlich verträglicher gekeltert, ein Geschmack irgendwo bei Rhabarber, roten Ribiseln (Johannisbeeren) und Gras, mit einer Farbe wie frisch gekochter Hagebuttentee. Meilenweit weg von diesem „Da ziagt’s da des Hemd eini“, aber definitiv auch meilenweit weg von „lieblich“.

Es gibt viele feine, zum Teil auch hoch dekorierte Schilcher-Weinbauern hier in der Gegend, die sich nicht nur mit Cabrio und Motorrad, sondern natürlich auch mit dem Rad wunderbar erkunden lässt.

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Die Rosenstöcke am Ende der Rebstock-Reihen sind nicht nur hübsch anzusehen, sondern sollen Bienen und andere Nützlinge anziehen.

Unser schöner Tag klang aus im Krainerhof, im Schatten eines ausladenden Ahornbaumes, bei einem deftigen Winzersalat und – wie könnte es anders sein – einem Achterl Schilcher.

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Doch was kommt denn da noch Feines daher?

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Weinstrauben und – nein, kein normaler Schilcher – Krainer’s Antwort auf den allgegenwärtigen „Hugo“: das „Tipperl“, Hugo mit Schilcher und nebst Holundersaft außerdem ein Schuss rote Ribisel (Johannisbeeren)

Dieser Tag wird sicherlich eine Fortsetzung im Herbst finden, wenn die steirische Weingegend so richtig zur Höchstform aufläuft und die Gegend die Farbe des Weins annimmt, von dem sie ihren Namen hat, das Steirische Schilcherland

Kleiner Nachsatz: die „Hauptstadt“ der Gegend ist sozusagen Stainz, beim Klick auf den Link oben kommt auch gleich ein Bild des Schlosses. Dort finden im Sommer wunderschöne Konzerte im Rahmen der Styriarte statt, aber das ist eine andere Geschichte…